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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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oder später wurde ja strenggenommen alles öffentlich –, historische Wunden aufreißen, außerordentlich unwillkommene Stimmungen im Lande erzeugen und schlimmstenfalls das ganze Volk spalten.
    Dennoch kam er um eine Entscheidung nicht herum. Welchen Entschluß er auch traf, er würde unüberschaubare Konsequenzen haben.
    Bestimmte Maßnahmen und Schritte waren für den Anfang trotzdem selbstverständlich. Zunächst mußten die gesetzlichen Fragen geregelt werden. Anschließend galt es, die rein praktischen Möglichkeiten zu erkunden.
    Er hatte einen Jugendfreund zu sich gebeten, der seit einigen Jahren Professor für öffentliches Recht an der Universität Helsinki war sowie Grundgesetzexperte. Nun saß dieser Professor und Jugendfreund draußen beim Kanzleichef, wahrscheinlich außerordentlich neugierig darauf, was den Präsidenten der Republik dazu gebracht hatte, ihm einen Kurier zum Sommerhäuschen bei Borgå zu schicken. Er hatte die Krocketkugel einfach fallen, seine Freunde und Bekannten stehenlassen und sich in den wartenden schwarzen Volvo gesetzt.
    Der Präsident drückte auf den Herein-Knopf neben seinem Schreibtisch und stand auf, um dem nichts Böses ahnenden Besucher entgegenzugehen.
    Sie begrüßten sich kurz und nicht sonderlich herzlich in der Tür, während der Präsident seinem erstaunten Kanzleichef ein Zeichen gab, draußen zu bleiben. Dann betraten sie gemeinsam den hellen, luftigen Raum, und der Präsident zeigte stumm auf einen der beiden Stühle vor seinem Schreibtisch. Er ging herum, setzte sich und faßte sich kurz an die Stirn, um darüber nachzudenken, wie er anfangen sollte.
    Sein ungeduldiger und vor Neugier bald platzender Besucher kam ihm jedoch zuvor. »Mauno, was hat das zu bedeuten? Du läßt mich zu dir rufen, als sollte ich zum Rektor, um mir einen Anpfiff anzuhören. Du hast dich ausdrücklich auf deine Stellung als Präsident der Republik berufen, so daß ich nicht nein sagen konnte. Findest du nicht, daß du dich erklären solltest?«
    Präsident Koivisto lächelte bleich und nickte zustimmend. Dann holte er tief Luft und begann so, wie er es sich zurechtgelegt hatte.
    »Heikki, du hast vollkommen recht. Es ist nicht in erster Linie dein Freund, der dich hergebeten hat, ich habe es in Ausübung meines Amtes getan. Darum möchte ich dir zuallererst die allerstrengste Schweigepflicht auferlegen. Sie betrifft alles, was zwischen uns geäußert werden wird. Du bist dir sicher der Bedeutung dessen bewußt, was ich sage. Du bist dir sicher auch bewußt, daß du zumindest theoretisch die Möglichkeit hast, jetzt aufzustehen und nein zu sagen. Was du vermutlich nicht tun wirst.«
    »Nein, Herr Präsident, ich akzeptiere Ihren Vorschlag und werde die Schweigepflicht getreulich erfüllen, die Sie mir auferlegt haben, Herr Präsident.«
    »Nun ja, das ist gut. Aber wir brauchen deswegen noch lange nicht so verdammt förmlich zu werden. Schließlich hört uns keiner zu.«
    Er verstummte mit einem Lächeln. Da saß sein Jugendfreund auf dem Besucherstuhl vor dem Schreibtisch, mit Shorts und einem blauweiß karierten Sporthemd – es fehlte nur noch ein Krocketschlager in der Hand –, und in ein paar Augenblicken würde er in die Weltpolitik hineingezogen werden.
    »Verzeih mir mein Lächeln, Heikki, aber das liegt nur daran, daß die Situation mir so grotesk vorkommt. Was du schon bald verstehen wirst«, fuhr der Präsident fort und ließ dann jeden Anflug eines Lächelns aus seinem Gesicht verschwinden.
    »Der Präsident der Sowjetunion hat mir mitteilen lassen, daß es in relativ naher Zukunft einen Versuch geben wird, gestohlene Kernwaffen nach Finnland zu schmuggeln, nämlich in der Absicht, diese Waffen auf einem leider allzu geneigten Weltmarkt zu verkaufen. Ich brauche nicht darauf einzugehen, was für eine Bedeutung dies hat. Jetzt verhält es sich aber so, daß der sowjetische Präsident zu erwarten oder zu fordern scheint, daß finnisches Personal sich auf sowjetisches Territorium begibt, um die Schmuggler unschädlich zu machen. Also bevor sie unser Territorium erreicht haben. Darum geht es.«
    Der Mann vor ihm sah ein wenig zweifelnd aus oder als wollte er gleich nervös loslachen. Die Miene des Präsidenten ließ für Zweifel jedoch keinen Raum.
    »Nun, das nenne ich ein bißchen viel auf einmal«, sagte der unfreiwillige Gast, nachdem er sich besonnen hatte. »Warum ziehst du mich da hinein, und was kann ich in dieser Sache unternehmen?«
    »Du sollst mir die

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