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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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innenpolitische Auseinandersetzung stürzen. Woher sollen wir denn wissen, welche Forderungen man uns von außen stellen wird? Ich habe nicht gedacht, daß wir uns auch mit Inlandsspionage befassen.«
    »Das tun wir auch nicht«, erwiderte Samuel Ulfsson zufrieden. »So etwas wäre uns völlig fremd. Aber es ist immer noch erlaubt, Zeitungen zu lesen. Und der Musik nach zu schließen, die jetzt ertönt, braucht man kein Wunder an analytischer Intelligenz zu sein, um zu erkennen, wie es weitergeht. Teufel auch, hier sitzen wir und raten den halben Tag herum, was die Russen wohl als nächstes anfangen werden, und wenn du mich fragst, verstehen wir uns ganz gut darauf. Na, und dann wäre es wohl merkwürdig, wenn wir uns nicht auf unsere eigenen Leute verstehen.«
    »Natürlich, vielleicht, aber immerhin sitzen wir nicht mit ihnen am Tisch, ich meine, du bist doch nicht dabei, ebenfalls einen Staatsstreich auszuhecken«, wandte Carl mürrisch ein.
    »Was soll das heißen, ebenfalls ?« sagte Samuel Ulfsson mit gespielter Unduldsamkeit.
    »Ich dachte an Krutschkow, den KGB-Chef, entschuldige den Vergleich«, sagte Carl mit einem feinen Lächeln, das signalisieren sollte, daß er nicht zu widersprechen gedachte. Er machte eine ausholende Handbewegung über den Tisch, die etwa bedeutete, her mit den Papieren.
    »Die Allgemeinheit hat aus leicht erkennbaren Gründen nur sehr vage Vorstellungen davon, inwieweit die Arbeit der Operationsabteilung etwas mit ausländischen Territorien zu tun hat«, fuhr Samuel Ulfsson in einem Tonfall fort, als würde er einem Politiker etwas erklären, verstummte aber, als er sah, wie Carl angesichts dieser Binsenweisheit mit den Augen rollte. Er nahm erneut Anlauf.
    »Was ich meine, ist also folgendes. Du hast der Allgemeinheit in sachlicher Hinsicht vielleicht ein fehlerhaftes Bild vermittelt, zumal deine Unternehmungen immer wieder an die Öffentlichkeit gelangt sind. Das ist unsere Schwäche. Du bist also immer derjenige, der die gesamte operative Tätigkeit verkörpert. Es besteht das Risiko, daß es ihnen dann gelingt, eine Menge Dinge einzustellen, über die überhaupt nicht diskutiert worden ist, etwa unser Agentennetz im Ausland, unsere Reisenden, die Zusammenarbeit mit der schwedischen Industrie und alles andere. Wir müssen es irgendwie schaffen, unsere Schwäche zu unserer Stärke zu machen.«
    »Wie denn?« fragte Carl mißtrauisch. Er hatte das Gefühl, auf eine Schulbank gesetzt worden zu sein, und verstand nicht, was damit bezweckt werden sollte.
    »Na ja, wir schicken dich raus, werfen dich sozusagen den Wölfen zum Fraß vor. Wir haben hier Anfragen wegen Interviews von jedem einigermaßen bedeutenden Nachrichtenmedium und noch etliche andere dazu. Du hast die freie Auswahl.«
    »Wie nett von dir«, sagte Carl mit einer Miene, die seinen Widerwillen verriet. »Ich soll also darauf antworten, wie ich mich dabei fühle, wenn ich kleine Kinder erdrossele und andere Dinge tue, die Journalisten um jeden Preis erfahren wollen. Ein sehr konstruktiver Vorschlag. Unsere politischen Machthaber werden sofort zu Kreuze kriechen und sogar die Etats unserer operativen Systeme erhöhen.«
    »Stell dich nicht dumm. Du kannst natürlich selbst die Journalisten aussuchen und sagen, daß du persönliche und politische Fragen nicht beantworten wirst. Was ist schon dabei?«
    »Geht es denn nicht um Politik?«
    »Doch, sicher. Aber nicht in offenkundiger Gestalt, es geht also nicht darum, ob du die Verteidigungspolitik der Konservativen oder der Sozialdemokraten vorziehst, um mich einmal pädagogisch auszudrücken. Ach was, du verstehst sehr gut, wie der Schleifstein bedient werden muß. Du verstehst dich in diesem Haus besser darauf als jeder andere. Außerdem startest du jedesmal mit hundert Bonuspunkten als Nationalheld, wenn ich das Ganze nüchtern und kühl betrachte.«
    »Das hört sich sehr kühl und nüchtern an.«
    »Ja, und es hat überdies den Vorzug, wahr zu sein. Du wirst Uniform tragen, denn du vertrittst auf meinen Befehl hin die Streitkräfte. Unser Respekt vor den demokratischen Grundwerten und dem Recht der Öffentlichkeit, informiert zu werden, hat uns zu der Schlußfolgerung geführt, daß wir möglichst offen sein und so viele Fragen wie möglich beantworten sollten. Mit etwas Glück wird es so gehen wie letztes Jahr vor dem Verfassungsausschuß.«
    »Die haben damals doch gar nichts Wichtiges erfahren.«
    »Eben.«
    Carl schwieg nachdenklich. Er war nicht gewohnt, seinen Chef

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