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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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gab.
    Sie wandten ein, es sei idiotisch, Geld auf einer Art Sparbuch stehen zu lassen, und darin gab er ihnen recht. Er wies jedoch darauf hin, daß dies nicht das entscheidende Moment sei. Entscheidend im Augenblick sei es, einem zu erwartenden Immobilienkrach zu entgehen. Damit gaben sie sich widerwillig zufrieden.
    Einige andere Seiten seines neuen Privatlebens waren bedeutend einfacher und angenehmer, etwa wenn er Tessie gelegentlich im Wagen mitnahm, um große weiße Häuser anzusehen, die irgendwo malerisch am Wasser lagen. Denn den Rest ihres gemeinsamen Lebens würden sie nicht in einer Zwei-Zimmer-Wohnung am Värtavägen verbringen und auch nicht mehr in einem IKEA-Bett mit wackeligen Beinen.
    Anderes wiederum war schwierig. Manchmal mußte er sich mit Eva-Britt zusammensetzen und über die Scheidung und deren praktische und gefühlsmäßige Konsequenzen diskutieren. Er versuchte, sich vor diesen Begegnungen zu verhärten, um konkret und sachlich mit ihr sprechen zu können. Das mußte auf Eva-Britt den Eindruck machen, als stünde er unter Druck, als wäre er eher gequält als unerschütterlich entschlossen.
    Sie war jedoch fair und verlangte nichts, was er nicht sofort zugestehen konnte. Im Gegenteil, sie lehnte fast verächtlich einige finanzielle Angebote ab. Sie begnügte sich mit der Wohnung und einem formlos geregelten Unterhalt, der eher für ihre Tochter gedacht war als für sie selbst. Daß sie das Sorgerecht für Johanna Louise haben wollte, war selbstverständlich.
    Hier bekam seine Maske aus erzwungener Geschäftsmäßigkeit deutliche Risse. Er spürte, daß er in jeder aufgeregten Diskussion über das Thema den kürzeren zog. Er versuchte, davon abzulenken, begann von praktischen Fragen zu sprechen, sagte, natürlich wolle er dafür sorgen, daß sie eine neue Wohnung bekomme. Natürlich habe er Verständnis dafür, daß sie nicht »in so einem gottverdammten Hamilton-Museum« mit glotzenden Touristenscharen und fotografierenden Japanern auf der Straße wohnen wolle. Nein, er habe absolut nichts dagegen, wenn sie wieder in das achteckige Haus zurückziehen und sich einen neuen Schäferhund anschaffen wolle; im Gegenteil, ein Schäferhund sei sicher eine gute Idee, wenn man etwas abseits wohne.
    Sie trafen sich mehrmals, ohne sich in anderen Dingen als den selbstverständlichen Fragen zu einigen, die beide berührten – ja, gleichgültig, was geschehen sei, müßten sie sich gegenseitig respektieren; ja, jeder müsse sein eigenes Leben leben; nein, man dürfe nicht glauben, daß seelische Wunden mit Geld geheilt werden könnten; ja, sie müßten an einem anderen Tag weitersprechen; nein, außenstehende Sozialarbeiter und Rechtsanwälte sollten keineswegs in die Sache hineingezogen werden, und so weiter.
    Er verließ eine dieser kurzen Restaurantbegegnungen mit einem mahlenden, undefinierbaren Gefühl der Scham. Er wußte nicht, woran es lag, vielleicht, weil er die Situation nicht beherrschte und nicht auf Wörter und Formulierungen kam, die ihm erst hinterher einfielen, oder weil er Eva-Britt schlecht behandelt hatte. Er versuchte, »dem Leben« ganz allgemein die Schuld zu geben, all den Zufälligkeiten, die wie Spielgeld überall durch die Luft fliegen und alles auf den Kopf stellen; wenn Tessie sich nicht hätte scheiden lassen, wenn er vor einigen Jahren nicht diesen idiotischen Einfall gehabt hätte, sie in ihrem Haus in Santa Barbara aufzusuchen – wie hatte er nur auf eine so dämliche Idee kommen können? –, wenn sie überdies nicht auf den unmöglichen Gedanken gekommen wäre, nach Schweden zu reisen, wenn die amerikanischen Sicherheitsorgane nicht dermaßen rabiat gewesen wären, sich in den Kopf zu setzen, eine kalifornische Anwältin mit mexikanischem Hintergrund müsse schon deshalb eine »kommunistische Agentin« sein, weil sie vor vielen Jahren mit einem verdächtigen Offizier des schwedischen Nachrichtendienstes bekannt gewesen sei; wenn dies nicht, wenn das nicht, würde er jetzt immer noch mit Eva-Britt zusammenleben, und zwar sowohl mehr als auch weniger glücklich als jetzt.
    Diese Kette der vielen wenn nicht konnte lang und kompliziert werden, es war sogar möglich, vollkommen absurde Zusammenhänge herzustellen, etwa daß es die Opposition , wie man die Russen früher genannt hatte, gewesen war, die das meiste entschieden hatte, etwa durch den Versuch, ihn zu einem sowjetischen Agenten zu stempeln, um so im Generalstab für Wirrwarr zu sorgen und etwas über die

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