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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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die fast gegrunzt wurden.
    Als die Übersetzung fertig war, nahm Michail Gorbatschow sie an sich und überflog sie in aller Hast, als wäre er des Englischen mächtig, und unterschrieb dann erneut. Er nahm einen Umschlag und legte den zusammengefalteten Brief mit der unterschriebenen Übersetzung hinein, leckte selbst die Gummierung ab und verschloß den Brief. Erst danach wandte er sich wieder seinem unbedeutenden Gast zu, denn so sah sich Eero Grönroos im Verhältnis zu den weltgeschichtlichen Ereignissen, deren Zeuge er wurde.
    Der sowjetische Präsident erhob sich und erklärte, er habe mit Dankbarkeit die Botschaft des Präsidenten der Republik Finnland entgegengenommen. Aus dieser Botschaft gehe hervor, daß Eero Grönroos sofort mit der Antwort zurückkehren solle, weshalb es keinerlei Anlaß gebe, die Rückkehr zu verzögern. Und dann entschuldigte er sich für seine karge Gastfreundschaft.
    Fünf Minuten später saß Eero Grönroos mit der Tasche am Handgelenk in einer zwei Tonnen schweren russischen Limousine mit zugezogenen Gardinen und raste mit hoher Geschwindigkeit zum Flughafen Scheremetjewo II. Er war an diesem Tag wie immer aufgestanden, ohne die geringste Ahnung, daß man ihn nach Moskau beordern würde. Und am Abend desselben Tages würde er sich wieder in dasselbe Bett legen, als hätte er gar kein Weltereignis miterlebt.
    Und jetzt saß er bei diesem alptraumhaften Flug in der Finnair-Maschine unter lauter niedergeschlagenen Landsleuten, denen nichts weiter bevorstand, als in ein paar Tagen wieder nach Moskau zurückzukehren, wo ihnen vermutlich erneut mißlingen würde, was ihnen gerade mißlungen war.
    »Fotze!« schrie ein Nokia-Direktor, der sich auf die beiden freien Plätze neben Eero Grönroos fallen ließ, als besäße der leere Raum dort eine magische Anziehungskraft auf torkelnde Menschenleiber. » Vitto ! Wie verflucht ungerecht das Leben doch ist!«
    Der Mann kam einigermaßen wieder zu sich und schüttelte sich wie ein Bär, um sich mit einem Anlauf zu erheben, als er plötzlich Eero Grönroos erblickte.
    »Oder bist du etwa anderer Meinung, du Scheißkerl?« fragte er drohend. »Wie ist es dir, unbekannter Genosse, bei unseren großen, wohlorganisierten Nachbarn im Osten ergangen? Sicher auch nur Scheiße im Kanonenrohr?«
    »Nun ja«, erwiderte Eero Grönroos nervös, »ich kann nicht klagen. Ich sollte nur einen Vertrag abholen, und dabei hat es keine Probleme gegeben.«
    »Verflucht!« rief der Nokia-Direktor verblüfft aus. »Verflucht noch mal, gibt es so was? Du hast also keine Probleme gehabt.
    Aber dann ist es sicher auch nicht um ein großes Geschäft gegangen?«
    »Nein, das meiste war Routine«, log Eero Grönroos. Ihm brach kalter Schweiß aus, als er daran dachte, wie er die Unterhaltung fortführen sollte. Doch gleichzeitig mußte er unwillkürlich über die unmögliche Situation lächeln.
    »Aha, du lachst, du Arschloch. Dann ist was faul«, stellte der Nokia-Direktor fest und beugte sich vor, um auf die schwarze Tasche zu schlagen, die an Eero Grönroos’ linkem Handgelenk angekettet war.
    Doch die Entfernung war zu groß. Der Mann verlor das Gleichgewicht und landete mit dem Gesicht auf Eero Grönroos’ Schoß, wenn man es taktvoll ausdrücken will, ruderte mit den Armen herum und stieß sich dann mit einer Faust ab, die er fest gegen den empfindlichsten Körperteil seines Landsmanns preßte. Eero Grönroos biß die Zähne zusammen und ächzte leicht. Gleichzeitig schossen ihm panikartige Gedanken durch den Kopf, dies sei gar kein Nokia-Direktor, und betrunken sei er auch nicht, und so hielt er seine schwarze Tasche eng umklammert.
    Eine Stewardeß, die ihre Freundlichkeit und Geduld schon längst verloren hatte, kam hinzu und zog den ungebetenen Gast mit einem harten Griff um den Jackenkragen hoch und schob ihn dann mit einem kurzen, resignierten Blick zu Eero Grönroos weiter nach hinten.
    Weniger als eine Stunde später hielt das Taxi auf dem Kai vor dem Präsidentenpalast. Er hatte nicht gewagt, die genaue Adresse anzugeben. Er zahlte und ging zunächst zögernd in die falsche Richtung, bis das Taxi verschwunden war. Dann kehrte er um und ging langsam zurück, blieb kurz stehen und blickte in das schwarze Wasser und zu dem Präsidentenpalast hoch. Das gesamte Gebäude war dunkel, nur das große Eckzimmer nicht, in dem er sich einfinden sollte. Zwei Wachposten standen in den Schilderhäuschen vor dem Haupteingang. Diesen Weg durfte er auf keinen Fall nehmen.

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