Niemandsland
selbstverständlich ein Vorteil war.
Er erschien drei Minuten vor der Sendung. Das war ebenfalls ein Teil seiner psychologischen Kriegführung. Er hatte behauptet, unmöglich früher kommen zu können, daß aber andererseits drei Minuten immer noch besser als zweieinhalb seien.
Er ging sehr schnell durch die gewaltige, hangarähnliche Halle von Sveriges Radio, sah auf die Uhr und verlangsamte die Schritte ein wenig, um nicht etwa zu früh hinter den verschlossenen Türen anzukommen. Dort standen zwei nervöse Sekretärinnen und warteten. Er trug sich ins Besucherbuch ein und fragte freundlich, ob er sich ausweisen solle, bekam von einem der ABAB-Männer ein nervöses Lachen zur Antwort und folgte dann den beiden Sekretärinnen zu den Fahrstühlen, die ein paar Meter von den verschlossenen Glastüren entfernt waren.
Zwei Minuten später befand er sich im Studio und setzte sich an einen achteckigen, mit grünem Filz bezogenen Tisch. Auf Aufforderung machte er eine Sprechprobe und begrüßte Erik Ponti und dessen Chef. Die beiden sahen sehr angespannt aus, was durchaus beabsichtigt war.
Carl lehnte sich behaglich zurück, wurde aber aufgefordert, den Abstand zum Mikrophon nicht zu groß werden zu lassen.
»Tja, wir haben ja kaum noch Zeit, über die Voraussetzungen zu sprechen, wir haben nur noch dreißig Sekunden bis zur Sendung«, erklärte Erik Ponti und wühlte in seinen Aufzeichnungen.
»Ihr fragt, und ich antworte«, sagte Carl lächelnd, »weitere Voraussetzungen brauchen wir nicht. Wenn ihr Fragen stellt, die ich mit Rücksicht auf die Geheimhaltung nicht beantworten kann, werde ich es erklären.«
Carl breitete die Arme aus und deutete damit an, wie einfach alles sei. Die beiden Journalisten warfen sich einen prüfenden Blick zu, und dann ging das rote Licht an, an dem sie erkannten, daß sie auf Sendung waren.
Der Echo -Chef leitete das Interview leicht keuchend ein und sprach von einer Debatte, die in Abwesenheit der Hauptperson stattgefunden habe, der Hauptperson, die jetzt erstmalig beim Echo des Tages präsentiert werde.
»Willkommen beim Echo des Tages, Fregattenkapitän Hamilton«, sagte er dann zu Carl gewandt.
»Danke«, sagte Carl.
»Ist es ein merkwürdiges Gefühl, im Mittelpunkt einer hitzigen Debatte zu stehen, ohne selbst daran teilnehmen zu können?« fragte der Echo -Chef .
Carl lachte auf, vor allem weil es eine Frage war, mit der er absolut nicht gerechnet hatte.
»Nein«, erwiderte er. »Wir leben in einer Demokratie, und das bringt eine gewisse Arbeitsteilung mit sich. Normalerweise ist es bei den Streitkräften nicht unsere Aufgabe, an Debatten teilzunehmen. Das ist vielleicht eine überholte und etwas zu konservative Meinung, und im übrigen haben ja recht viele Offiziere in den letzten Jahren an öffentlichen Debatten teilgenommen. Aber gerade beim Nachrichtendienst befinden wir uns in einer besonderen Lage, und das macht es meist unmöglich, sich öffentlich zu äußern.«
»Inwiefern? Was unterscheidet euch beispielsweise von den Generälen und den anderen hohen Offizieren, die sich in den letzten Jahren in der Presse geäußert haben?« wollte Erik Ponti wissen.
»Zwei Dinge«, erwiderte Carl schnell und überlegte dann, wie er zwei Dinge zusammenbekommen sollte. »Erstens ist so gut wie alles, womit wir uns beschäftigen, streng geheim. Zweitens: Stellen wir uns vor, daß zum Beispiel der Chef des Nachrichtendienstes, Kapitän zur See Samuel Ulfsson, sich in Dagens Nyheter mit verschiedenen Artikeln zu allgemeineren Themen melden würde. Dann würden Leser in Schweden wie im Ausland glauben, daß es mehr ist als nur ein Diskussionsbeitrag. Sie würden meinen, daß die private Ansicht einer Einzelperson in Wahrheit auf qualifizierten, geheimen Informationen beruht. Das würde einen eigenartigen Eindruck machen, und das ist alles, glaube ich.«
Die drei Anwesenden im Studio erkannten jetzt, daß das Interview viel zu theoretisch geraten war, daß die sicher rekordverdächtig große Zuhörerzahl etwas anderes erwartete.
»Doch nun zu der Debatte der jüngsten Zeit, zu den Fragen, die dich persönlich betreffen, Fregattenkapitän Hamilton. Es ist von mehreren Seiten gesagt worden, Schweden solle sich keine militärische Feuerwehr leisten, die jederzeit ausrücken kann, als wären wir eine Großmacht. Was hältst du von dieser Ansicht?« fragte Erik Ponti mit einem Blick auf seinen Notizblock. Jetzt fing es also an.
»Das ist in gewisser Weise völlig richtig«,
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