Niemandsland
Ponti.
»Ja, in einer bestimmten Hinsicht erinnert es an die Möglichkeiten der Großmächte und deren Einstellung«, erwiderte Carl. »Die Großmächte haben einen Grundsatz, den sie ewig am Leben erhalten möchten, nämlich: Wer einen unserer Bürger antastet, wird es bereuen. Wir werden ihm eine Hölle bereiten. Ich halte das für ein gutes Prinzip und glaube schon, daß die meisten Schweden bei näherem Nachdenken meiner Meinung sind. Nämlich, daß es gut ist, Ressourcen zu haben, die den Großmächten zumindest in dieser Hinsicht entsprechen. Wie schon gesagt: Wer im Ausland schwedische Staatsbürger antastet, wird eine Hölle bekommen, gern innerhalb von vierundzwanzig Stunden. Der Preis für die Entführung von Schweden ist jetzt bekannt.«
»Die Einsätze auf Sizilien dienten also einem rein vorbeugenden Zweck?« ließ sich Erik Ponti ironisch vernehmen.
»Nein, natürlich nicht. Übrigens möchte ich mich gegen deine Ironie verwahren«, entgegnete Carl, ohne die Stimme zu heben oder das Tempo zu verändern. »Wir wollten in erster Linie unsere Landsleute befreien. Ich glaube aber, daß dies auf längere Sicht gerade den guten Effekt haben kann, den ich genannt habe. Ich glaube, daß beispielsweise sizilianische Gangster es sich künftig genau überlegen werden, bevor sie sich wieder an Schweden heranwagen.«
»Wie du eben gesagt hast, ist dies genau das, was die Großmächte durchzusetzen versuchen. Trotzdem haben es keine Delta-Truppen der Welt geschafft zu verhindern, daß in Beirut ständig zahlreiche amerikanische, britische und französische Geiseln gehalten werden«, wandte der Echo -Chef ein.
»Das ist wahr«, bestätigte Carl. »Die von dir genannten Länder sind Großmächte. Amerikanische Geiseln lassen sich theoretisch dazu benutzen, die amerikanische Regierung zu erpressen. Diesem Gedankengang zufolge kann man einiges damit gewinnen, wenn man die erheblichen Risiken eingeht, die es trotz allem bedeutet, amerikanische Geiseln zu nehmen. Das ist es gerade, was ich sagen will. Die schwedische Regierung hat schließlich nicht den gleichen Einfluß etwa auf den Nahen Osten wie die amerikanische. Wenn man aber wertlose Schweden, falls ihr den Ausdruck entschuldigt, als Geiseln nimmt und dafür einen gleich hohen Preis zahlen muß wie für die Entführung politisch wertvoller Amerikaner, liegen wir damit recht gut, wie ich glaube. Wir haben in den letzten Jahren drei Geiselnahmen gehabt, und es hat jedesmal damit geendet, daß die Schweden innerhalb recht kurzer Zeit wohlbehalten nach Hause kamen. Das ist ein sehr gutes Gesamtergebnis.«
Vielleicht war Carl jetzt ein wenig übermütig geworden. Jedenfalls sah er den beiden Journalisten an, daß seine Argumente Wirkung gezeigt hatten, und ließ die Deckung zu sehr sinken.
»Wenn wir aber von den Ereignissen auf Sizilien einmal absehen, wo es unleugbar zu einer Gewaltlösung gekommen ist, sind ja die beiden früheren Geiselnahmen mit stiller Diplomatie und nicht mit Gewalt gelöst worden«, fühlte Erik Ponti vor.
»Nein, das ist nicht wahr«, erwiderte Carl lächelnd und bereute seine Worte im selben Augenblick.
Die beiden Journalisten entdeckten sofort, daß er zuviel gesagt hatte. »Das ist jedenfalls der Standpunkt der Regierung«, betonte der Echo -Chef . »Bei welcher der beiden anderen Geiselnahmen wurde Gewalt eingesetzt?« fragte Erik Ponti.
Carl mußte überlegen. Er konnte das Gesagte nicht ungesagt machen. Er konnte unmöglich den Rückzug antreten und so tun, als hätte ihn sein Gedächtnis im Stich gelassen.
»Bei einer der zwei Geiselnahmen, die angeblich mit sogenannter stiller Diplomatie gelöst worden sind«, begann er gequält, bis er zu dem Schluß kam, daß es für ihn kein Zurück mehr gab. Er fuhr mit normaler Stimme fort: »Bei einer war ich selbst beteiligt. Ich habe die militärische Operation geleitet. Dabei ist es also zu dem gekommen, was ihr eine Gewaltlösung des Problems nennen würdet. Ich kann verstehen, wenn die Regierung es aus mancherlei Gründen für unpraktisch gehalten hat, die Sache so darzustellen, möchte den Vorgang aber hier nicht gern weiter kommentieren.«
»Warum?« fragten beide Journalisten wie aus einem Mund.
»Weil es mir nicht passend erscheint, daß sich militärisches Personal in politischen Fragen äußert. Das ist ganz einfach nicht unser Job.«
»Von welcher Geiselnahme sprechen wir jetzt überhaupt? Welche ist mit Gewalt und nicht mit friedlichen Mitteln gelöst worden?« fragte
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