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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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genießt.«
    »Was hältst du davon, in den schwedischen Wahlkampf hineingezogen worden zu sein?«
    »Dazu habe ich gar keine Meinung. Wir leben in einer Demokratie, und es ist mein Job und der meiner Kollegen, diese Demokratie zu verteidigen, notfalls mit Gewalt. Zur Demokratie gehört nun mal, daß selbst die abwegigsten Meinungen geäußert werden können, um dann, wie zu hoffen ist, in einer freien Auseinandersetzung zu unterliegen. Wir Militärs sollten uns dann jedenfalls zurückhalten und uns nicht in die Auseinandersetzung einmischen. Das ist Sache anderer.«
    »Aber ihr seid doch stimmberechtigte Staatsbürger wie alle anderen?«
    »Ja, selbstverständlich.«
    »Beim schwedischen Nachrichtendienst dürften nach dieser Äußerung kaum viele Stimmen auf das Zentrum entfallen?«
    »Das ist eine Vermutung, deine Vermutung, übrigens. Sie erscheint mir jedoch nicht allzu kühn.«
    »Für welche Partei gedenkst du selbst zu stimmen?«
    »Ich gehe nicht zur Wahl. Ich möchte nicht in die Situation kommen, Anweisungen von einer Regierung annehmen zu müssen, gegen die ich gestimmt habe. Außerdem spielt es keine Rolle, welche Regierung wir bekommen, denn sie ist in jedem Fall Dienstherrin des Nachrichtendienstes. So müssen wir die Demokratie interpretieren, soweit es uns betrifft.«
    Er hatte leichtes Spiel. Nach kurzem Training kam ihm das Ganze wie ein choreographisches Muster vor, das er einüben konnte, als handelte es sich dabei um nichts weiter als ein paar Tanzschritte.
    Man mußte zunächst vollkommen aufrichtig und direkt auf eine Frage antworten, um vertrauens und glaubwürdig zu erscheinen. Am Ende der Antwort konnte man jedoch einen Köder auslegen und gleichsam nebenbei etwas wie »verdreht« oder »verrückt« sagen, um so erklären zu müssen, wer albern oder verdreht sei. Dann hatte es den Anschein, als fühlte man sich bedrängt, es offen und ehrlich auszusprechen, wenn auch widerwillig. Dann konnte man sagen, was man wirklich dachte. Er faßte es mit Humor als eine Art Spiel auf. Er hatte immer noch das Gefühl, daß das Ganze für ihn im Grunde ohne jede Bedeutung war. Falls eine Regierung sich in ein paar Wochen über die operativen Einheiten des Nachrichtendienstes hermachte, um bestimmte Abteilungen stillzulegen oder abzuschaffen, würde sie trotzdem zunächst alles untersuchen und durchdenken. Das Vorhaben würde sich als nicht ganz leicht erweisen, gleichgültig, welche Versprechungen im Wahlkampf gemacht worden waren. Überdies nahm in Carl die Gewißheit zu, daß er es vielleicht als Befreiung empfinden würde. Er würde sich dann um ein neues Leben bemühen, so werden wie alle anderen, wenn auch mit einem schöneren Domizil.
    Tessie war hingerissen von dem letzten Haus, das sie sich angesehen hatten. Es sei so »exotisch«, sagte sie. Für ihn war es so schwedisch wie Selma Lagerlöf. Er erzählte von dem Wohlstand der schwedischen Oberschicht im achtzehnten Jahrhundert, von der Neuerung des Kachelofens, die Jahrhunderten des Frierens ein Ende machte, sogar hier oben im Norden. Er erzählte vom französischen Ursprung der Gärten, da die Oberschicht der damaligen Zeit fast in allem darauf eingestellt war, die Franzosen nachzuahmen; am Hof Gustavs III. habe man das Französische sogar als Konversationssprache eingeführt, etwa so, wie heutige Schweden es liebten, englisch zu sprechen, sobald sie betrunken waren.
    Aber natürlich war das Haus für Tessie »exotisch«; sie malte sich aus, wie es bei vertauschten Rollen hätte aussehen können. Dann hätten sie sich auf einer braunen, ausgedörrten Ebene befunden; in der Ferne hätte man die Berge in flirrender Hitze blau schimmern sehen, und das Haus wäre aus weißen Ziegelsteinen erbaut, ein einstöckiges Haus mit einer umlaufenden Veranda, mit Pferden in einem Corral auf der Rückseite des Hauses, mit großen Viehgehegen und vor allem mit Staub und Hitze, zumindest in dieser Jahreszeit.
    Sie zögerte nur in einem Punkt, nämlich was die Größe des Hauses betraf. Es war zwar ein kleines Herrenhaus, und da die Zimmer im achtzehnten Jahrhundert klein gewesen waren und der Finanzjongleur, der das Haus bis vor kurzem besessen hatte, hier und da Wände hatte herausreißen lassen, um mehr Platz zu bekommen, waren jetzt acht Zimmer übriggeblieben. Drei große Gesellschaftsräume im Erdgeschoß und fünf Schlafzimmer im Obergeschoß, davon ein sehr reichlich bemessenes mit Balkon, Aussicht zum See hin und Spiegeln an der Decke.
    Das

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