Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
Lösung.«
    »Geht uns nichts an?«
    »Nein. Korrigiere mich, wenn ich mich irre, aber ich glaube, wir treten bei der Reichstagswahl nicht an.«
    Die Aufregung fiel plötzlich von Samuel Ulfsson ab. Er setzte sich und schüttelte lächelnd den Kopf.
    »Grundsätzlich«, sagte er und zeigte auf Carl, nicht in militärischer Manier mit der ganzen Hand, sondern nur mit dem Zeigefinger, » grundsätzlich hast du natürlich recht. Wir leben in einer Demokratie, und so weiter, und so weiter, dafür sollten wir letztlich ins Feld und kämpfen, daran glaube ich selbst, das ist kein Problem. Haben wir nun aber A gesagt, wenn es um einige Finessen der Demokratie geht, ich denke da an die Freiheit der Meinungsäußerung, die freie Auseinandersetzung und all das, dürfen wir auch B sagen.«
    Carl seufzte und wand sich. Ihm war schon klar, was ihm bevorstand.
    »Du seufzt?«
    »Ja, denn wenn du B sagst, bedeutet das doch wohl, daß ich wieder in die Manege muß, um mich erneut zum Affen zu machen.«
    »Sachlich gesehen ja. Ich würde das Ganze aber respektvoller ausdrücken.«
    Damit gab es kaum noch etwas zu diskutieren. Samuel Ulfsson hatte sich schon entschlossen, und im Grunde hatte Carl keine Einwände vorzubringen. Ihm war nicht entgangen, daß er seine »Revanche« schon vor ein paar Wochen bekommen hatte, als er im Chor der Kommentatoren um den versuchten Staatsstreich in Moskau als einzig vernünftige Stimme hervorgetreten war. Angesichts der Konkurrenz war das nicht schwierig gewesen.
    »Der Sprecher des Nachrichtendienstes« hatte als effektive Waffe fungiert. Das ließ sich leicht feststellen und war auch in operativen Begriffen leicht zu verstehen.
    Carl empfand jedoch tiefen Widerwillen dagegen, daß die Streitkräfte direkt oder indirekt an einem politischen Spiel teilnahmen. Die Arbeitsteilung sollte selbstverständlich sein – Politiker erledigen die Politik, und das Militär kümmert sich um die Verteidigung. Jeder Gedanke an einen Rollentausch hatte etwas Abschreckendes.
    Doch jetzt war es also wieder soweit. Natürlich brauchte Carl nur zu wählen, da jede Zeitung und jedes Nachrichtenmedium seine Kommentare haben wollte. Er entschied sich für die Fernsehnachrichten Aktuellt , auch wenn ihm das den Abend zerstörte, und Erik Ponti vom Echo des Tages. Dies jedoch nur, um den letzten Rest einer Schuld zu tilgen, die Erik Ponti andeutungsweise geltend gemacht hatte.
    Die Äther-Medien waren leicht zu handhaben. Da sämtliche Äußerungen kurz und konzentriert sein mußten und man nie Zeit hatte, tiefer auf ein Thema einzugehen, konnte man leicht mit Schlagworten davonkommen, ohne je in Bedrängnis zu geraten. Überdies war es ein natürlicher Teil seines Berufs und seines Wissens, Theater zu spielen und sich zu verstellen, und das kam im Fernsehen besonders gut an.
    »Was hältst du davon, einer Todesschwadron zugeordnet zu werden?«
    »Wenn der Parteichef des Zentrums tatsächlich mich und unsere Abteilung gemeint hat, was ich nicht mit Sicherheit weiß, finde ich das natürlich genauso übel, wie jeder andere es fände. Aber der Vergleich ist ja vollkommen albern.«
    »Inwiefern albern?«
    »Das Wort läßt einen an faschistische Mörderbanden in lateinamerikanischen Diktaturen denken. Da fällt es mir schon schwer, das mit uns in Verbindung zu bringen, die wir mit legalen Mitteln und im Auftrag des schwedischen Staates nur versucht haben, Menschenleben zu retten. Denn ich nehme an, daß es schon wieder die Ereignisse auf Sizilien sind, die hier herumspuken. Mit dem schwedischen Nachrichtendienst hat das alles jedoch nur wenig zu tun.«
    »Du meinst, ihr beschäftigt euch mit sehr viel anderen, größeren und wichtigeren Dingen?«
    »Vielleicht kann man nicht sagen, daß es etwas Wichtigeres gibt, als das Leben von Mitbürgern zu retten. Größeres jedoch ja, ohne Zweifel. Die Dinge, die in den Zeitungen veröffentlicht werden und auch woanders Publizität erreichen, sind vielleicht spektakulär, und ich kann verstehen, daß Journalisten dem Interesse entgegenbringen und allem sorgfältig nachgehen wollen. Aber es ist wie bei der Spitze des Eisbergs. Das Schwergewicht unserer Arbeit ist bedeutend technischer und bürokratischer. Kaum sehr romantisch, könnte man sagen.«
    »Du meinst etwa die Aufgabe, die Entwicklung in der zerfallenden Sowjetunion zu verfolgen?«
    »Ja, das ist ein Beispiel. Ich verrate ja kaum ein Staatsgeheimnis, wenn ich sage, daß dieses Feld im Augenblick bei uns höchste Priorität

Weitere Kostenlose Bücher