Niemandsland
wie ich.«
»Danke. Und danke fürs Abholen.«
»War mir ein Vergnügen. Morgen
unterhalten wir uns über das, was Sie herausgefunden haben.«
Ohne eine Antwort warf ich meine
Reisetasche auf den Sitz des Landrovers und kletterte hinterher. Der Motor kam
sofort, und ich legte den Gang ein und wendete. Als ich losfuhr, sah ich in den
Rückspiegel. Hy hatte sich nicht von der Stelle gerührt und blickte mir melancholisch
nach.
Auf der Straße bog ich nach rechts in
Richtung Vernon ab, aber nach der ersten Kurve wendete ich und hielt am Rand in
der Nähe der Schafhürde an. Der Mond schwebte als leuchtende Scheibe über den
Bergspitzen. Sein kalter Schein lag wie Reif auf der öden Landschaft. Die
Schafe drängten sich zusammen. Ihr Fell erinnerte an Schneewehen. Der
Stacheldrahtzaun hob sich von der bleichen Wiese ab wie eine Radierung im Eis.
Die grünen Ziffern der Digitaluhr auf
dem Armaturenbrett zeigten nach elf an. Ich lehnte mich zurück und wartete —
fünf, zehn, fünfzehn Minuten. Dann warf ich den Motor wieder an und fuhr
schnell in Richtung Stone Valley. Als ich an Ripinskys Haus vorbeikam, sah ich,
daß die Fenster dunkel waren und der Morgan an seinem Platz stand. Dennoch
hielt ich ein wachsames Auge auf den Rückspiegel, bis ich sicher war, daß er
den Landrover nicht bemerkt hatte und mir nicht folgte.
Auf der Anhöhe oberhalb der Ruinen von
Promiseville wurde ich langsamer und ließ meinen Blick über das Tal wandern. Keine
Lichter auf der Mesa oder in der Stadt. Im eisigen Mondlicht standen die
zerklüfteten Berge wie eine Erinnerung an die selbstzerstörerischen Kräfte, die
in der Erde schlummerten. Das verbogene Gerippe der alten Stampfmühle, das sich
am Rand der Mesa spreizte, und die zusammengesackten Häuser unten im Tal
erzählten beredt, was diese Kräfte den Menschen, die sie zu zähmen versucht
hatten, anzutun wußten.
Die weite Leere und die Stille drohten,
mich zu überwältigen. Ich packte das Steuer, trat auf das Gaspedal. Fuhr ins
Tal hinunter und schob die Hinweise auf Vergeblichkeit und Sterblichkeit
beiseite. Und als ich am Friedhof vorbeikam, hielt ich den Blick auf die Straße
vor mir gerichtet.
Der Landrover nahm mühelos die
holperige Strecke entlang dem Bachbett. Als ich mich dem kleinen Canyon
näherte, ging ich mit der Geschwindigkeit herunter und schaltete auf
Standlicht. Kurz davor hielt ich an und ging zu Fuß weiter.
Bevor ich Hopwoods Hütte sehen konnte,
hörte ich das Rauschen des Wasserfalls. Mondstrahlen spielten auf den Strudeln
des Bachs und erhellten mir den Weg. Die felsigen Wände rückten von beiden
Seiten immer näher, und dann erkannte ich die Konstruktion aus rohem
Kiefernholz unter dem überhängenden Felsen. Es standen weder ein Lastwagen noch
ein Miata davor, und in den Fenstern war kein Licht zu sehen.
Wo also war Margot Erickson?
Ich blieb in ungefähr sechs Metern
Entfernung stehen und ließ den Blick über die Hütte im Dunkeln wandern. Das
gleiche Gefühl wie am Samstagnachmittag überkam mich, daß nämlich etwas nicht
stimmte — und diesmal war es noch stärker. Ich ging zur Tür und klopfte. Wie
erwartet keine Antwort. Dann umrundete ich sie und sah mich um, ob ich neulich
vielleicht etwas übersehen hatte. Zögerte und machte mir klar, was ich da gerade
vorhatte.
Seit meinem ersten Besuch hier hatte
die Lage sich verändert. Mick Erickson war ermordet worden, und möglicherweise
war der Mörder auch hinter Hopwood her. Margot hatte heute früh San Francisco
verlassen und mußte eigentlich schon hier sein. Man hatte sie bereits übel
zugerichtet, und vielleicht war sie ebenso in Gefahr. Im Grunde hätte ich dem
Sheriffbüro meine Vermutungen mitteilen müssen, aber bis zum nächsten Telefon
war es weit. Außerdem arbeitete ich ja für sie...
Ich entdeckte eine Metalltrommel im
Müllhaufen unter dem Felsüberhang und zog sie unter ein Fenster. Stülpte sie
um, stieg hinauf und versuchte, einen Blick ins Innere zu werfen.
Schmutzig-weiße Vorhänge versperrten mir die Sicht. Ich versuchte, den
Fensterrahmen nach oben zu schieben, aber das Schloß hielt.
Ich kletterte wieder hinunter und
suchte im Abfall herum, bis ich eine Spitzhacke mit abgebrochenem Griff fand.
Ich trug sie hinüber, nahm sie in beide Hände und zerschlug die Scheibe. Ich
zog die größeren Glaszacken aus dem Rahmen und schob den Vorhang zur Seite. Es
war das Küchenfenster. Ich löste den Riegel, schob den Rahmen hoch, zog mich
auf das Sims und landete auf dem
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