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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Holzfußboden.
    Meine Handtasche hatte ich im Landrover
eingeschlossen, aber die kleine Taschenlampe hatte ich bei mir. Ich zog sie aus
der Jackentasche und ließ ihren dünnen Strahl durch den Raum wandern. Die Küche
war noch primitiver als die von Lily Nickles und zeigte, wie wenig Hopwood von
einem geordneten Haushalt hielt: Auf einem Tisch neben dem Propanbrenner
standen schmutziges Geschirr und ein Topf mit verkrustetem Inhalt. Ein Laib
Brot lag verschimmelt in seiner ausgefransten Plastikverpackung. Offenbar
hatten sich Nagetiere daran zu schaffen gemacht.
    Eine Tür führte in ein zweites Zimmer.
Ich konnte ein altmodisches, üppig gepolstertes Sofa erkennen, wie das bei All
Souls. Ich ging hinein, sah einen Holzofen und einen Schaukelstuhl. Und ich
sah, daß einer der kleinen Sofatische umgekippt war. Eine Öllampe lag
zerbrochen auf dem Fußboden, daneben ein mit dunklen Flecken übersäter
Flickenteppich.
    Ich hockte mich neben den Teppich und
richtete den Strahl meiner Lampe darauf. Die Flecken waren braun und
angetrocknet. Es sah aus, als wäre der kleine Teppich zum Abwischen des
Fußbodens benutzt worden. Ich sah mir die Bretter genauer an und entdeckte
verschmierte Stellen und eine verkrustete braune Substanz in den Fugen. Ein
Teil des beigefarbenen Sofas war voll feiner Spritzer.
    Blut, dachte ich, altes Blut. Aber wie
alt?
    Ich drehte mich um und richtete den Lichtstrahl
auf die Flecken auf dem Sofa. Ihre geringe Größe ließ darauf schließen, daß sie
von einem schnell oder halbschnell geführten Schlag herrührten. Das konnte
alles bedeuten — vom Schlag mit einem Hammer oder einer Axt bis zu einem Schuß
aus einer Waffe. Wenn sich auch ihre Form durch die Absorption des Stoffes
etwas verzogen hatte, schienen sie doch aus einem leicht schrägen Winkel von
oben aufgetroffen zu sein.
    Nun gut, dachte ich und richtete mich
auf. Jemand hatte hier vor dem Sofa gestanden, als er oder sie von dem Schlag
oder Schuß getroffen worden war. Das Opfer fiel zu Boden und riß Tisch und
Lampe mit. Doch wer? Und wann? Von wem? Und warum? Das waren Fragen, die auch
eine noch so gründliche Untersuchung der Blutspritzer nicht beantworten würde.
Ich mußte im Sheriffbüro anrufen, damit die Spurensicherung alles untersuchen
konnte. Doch solange ich hier war...
    Schnell untersuchte ich den Rest der
Hütte und nahm mich in acht, nichts zu verrücken oder mögliche Fingerabdrücke
zu verwischen. Das war nicht schwierig, denn es gab nur noch einen weiteren
Raum. Und als ich mich umsah, erhielt ich ein paar Einblicke in das einsame
Leben, das hier geführt worden war und vielleicht auch hier geendet hatte.
    Auf der Kommode im kleinen Schlafzimmer
stand ein gerahmtes Foto von der jungen Margot Erickson. Dunkelblondes,
toupiertes Haar, über den Schultern diese Art Umhang aus schwarzem Samt, wie
sie damals bei Abschlußfeiern der High-School getragen wurden. Die hübsche
Peggy, wie man sie laut Ripinsky genannt hatte, lachte in die Kamera. Aber ihr
Mund zeigte eine Spannung, die — jedenfalls im nachhinein — ein fast
verzweifeltes Verlangen verriet, sich von ihrem Vater, der sich an sie
klammerte, und der kleinen Stadt, die sie beengte, loszureißen. Ich fragte mich,
ob Margot wohl heute noch der Meinung war, die darauffolgenden Jahre seien
diesen Preis wert gewesen.
    Die Schubladen der Kommode enthielten
nichts als Kleidung. Zum großen Teil war sie ungetragen, und einige Sachen
befanden sich noch in den Schachteln von so teuren Läden in San Francisco wie
Bullock & Jones — nicht benötigte und nicht gewünschte Geschenke von
einer Tochter, die versuchte, so ihre Schuldgefühle gegenüber dem verlassenen
Vater zu besänftigen. In einem Schrank hingen die Sachen, die Hopwood wirklich
trug — Jeans, Khakihemden und -hosen und ein paar sportliche Kleidungsstücke
aus Kunstfaser, die er trug, wenn er durch die Casinos von Nevada zog. Das
einzige Buch im Haus war eine Bibel, die aufgeschlagen und umgekehrt auf dem
Nachttisch neben der eisernen Bettstelle lag.
    Ich hob sie auf. Hopwood hatte in der
Offenbarung gelesen. Oben auf der rechten Seite fiel mir ein Zitat auf: »Und
der Teufel, der sie verführte, ward geworfen in den Pfuhl von Feuer und
Schwefel, da auch das Tier und der falsche Prophet war, und werden gequält
werden Tag und Nacht von Ewigkeit zu Ewigkeit.«
    Eine tröstliche Bettlektüre, dachte
ich, als ich den zerfledderten Band zurücklegte. Ich habe den Reiz der
verschiedenen Feuer- und

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