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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Schwefelvarianten in den verschiedenen Religionen nie
verstanden. Das Leben ist schwierig genug, auch ohne das allgegenwärtige
Schreckgespenst der Verdammnis, das immer dann über uns schwebt, wenn wir vom
geraden und vorherbestimmten Weg abweichen. Vielleicht lag es daran, daß ich
mich nie zu den Gerechten gezählt habe, auf die vor den Toren der heiligen
Stadt, wie sie der heilige Evangelist Johannes vorausgesehen hat, der
ausgebreitete Teppich wartet. Ganz bestimmt aber hätte ich mir für ein Leben in
der öden Verlassenheit des Stone Valley eine fröhlichere Lektüre ausgesucht als
diese apokalyptischen Rasereien.
    Ich ging noch einmal kurz durch das
Wohnzimmer und die Küche, schloß das Fenster und verließ die Hütte. Jetzt mußte
ich nach Vernon fahren und im Sheriffbüro von den Blutflecken berichten — und
ich hoffte, daß sie meine Erklärung für den Einbruch akzeptieren würden.
     
    Neben der Tankstelle, die Hopwood
früher betrieben hatte, befand sich eine beleuchtete Telefonzelle. Ich hielt
und rief von dort aus an, statt den ganzen Weg bis zur Feriensiedlung zu
fahren. Kristen Lark war nicht im Dienst. Ich fragte nach ihrem Kollegen Dwight
Gifford, doch der war in Urlaub. Der diensttuende Hilfssheriff wollte mir
Kristen Larks private Nummer nicht geben. Doch nach einigem Drängen und
Schmeicheln schrieb er sich meine Nummer auf und sagte, er werde sie anrufen.
Wenn sie mit mir sprechen wolle, könne sie ja zurückrufen.
    Ich schob die Tür der Telefonzelle auf,
damit das Licht ausging, und wartete im Dunkeln. In Vernon war jetzt nach
Mitternacht ziemlich alles zu, obwohl Zelda’s Schild noch immer rot gegen den
nächtlichen Himmel strahlte. Ich erinnerte mich, wie das Neonlicht von oben
ausgesehen hatte, als wären Blutflecken im See, und meine Gedanken wanderten
zurück zu den nur allzu realen Blutflecken draußen im Stone Valley. Das Telefon
läutete.
    Kristen Lark sagte: »McCone, wo sind
Sie? Das ist eine Nummer in Vernon, nicht?«
    »Stimmt.« Ich erzählte ihr von meinem
schnellen Flug hierher und von meinem Fund in der Hütte.
    Sie schwieg einen Augenblick. »Warum
sind Sie dorthin gefahren?« fragte sie schließlich.
    »Das ist eine komplizierte Geschichte.
Die erzähle ich Ihnen lieber persönlich.«
    »Hm. Und diese angeblichen Blutflecke —
Sie sagen, sie befinden sich im Wohnzimmer?«
    »Ja. Und übrigens, ich bin dort
eingebrochen. Die Situation erschien mir so ernst, daß ich es für
gerechtfertigt hielt.«
    »Hm.«
    Ich wartete. Als sie nichts weiter
sagte, fragte ich: »Und?«
    »Ich denke nach. Der Anruf aus dem
Revier hat mich aus dem Schlaf gerissen. Ich habe gerade zwei Dienste
hintereinander gemacht, ohne Dwight — der Bastard steckt in Idaho — , und ich
hatte ziemlich tief geschlafen.«
    »Es tut mir leid.«
    »Gehört zum Job. Ich meine, wenn es
hell ist, soll sich die Spurensicherung das Ganze anschauen. Was ich brauche,
ist eine Vollmacht. Aber das ist kein Problem, weil wir eine Menge möglicher
Gründe haben und Richter Sims schon immer um neun in seinem Amtszimmer ist.
Können wir uns an der Hütte treffen? Sagen wir mittags um zwölf?«
    »Sicher.«
    »Bis dann. Noch etwas, McCone.«
    »Ja?«
    »Schlafen Sie jetzt auch eine Runde.«
    Als ich in der Feriensiedlung ankam,
war der Mond untergegangen. Das Wäldchen lag in völliger Dunkelheit, die Weiden
schmiegten sich an den Hang, und ihre Zweige hingen wie riesige Schirme über
den Hütten. Ich stellte Ripinskys Landrover neben Anne-Maries Wagen ab und
leuchtete beim Aussteigen mit der Taschenlampe über den Boden.
    In der Hütte war kein Licht. Ich griff
in meinen Jeans nach dem Schlüssel, den Hy mir in Anne-Maries Auftrag gegeben
hatte, schloß die Tür auf und trat ein. Als ich die scheußliche
Deckenbeleuchtung anknipste, entdeckte ich auf dem mittleren Sofapolster einen
gelben Zettel, von der Brandyflasche beschwert. »Weck mich!« stand darauf.
    Das wird einige Mühe kosten, dachte
ich. Anne-Marie hatte einen gesegneten Schlaf. Sie hatte mir erzählt, daß sie
nicht einmal als kleines Kind fröhlich aus dem Bett springen konnte. Während
ihres Jurastudiums hatte sie sich dazu erzogen, bei jeder sich bietenden
Gelegenheit ein paar Augenblicke wegzutreten — in der Klasse, bevor der
Unterricht begann, im Bus und sogar beim Anstehen in der Schlange. Um mich auf
meine schwere Aufgabe vorzubereiten, ging ich in die Küche und setzte Kaffee in
der kleinen elektrischen Maschine auf. Dann ging ich in ihr

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