Niemandsland
beobachtet?«
»Hm. Wie gesagt, ich hatte von Anfang
an den Verdacht, daß bei ihm etwas nicht stimmt.«
»Gehen wir mal durch, was er in der
letzten Woche gemacht hat, soweit Sie es wissen. Angefangen beim vergangenen
Freitagmorgen.«
»Er ist mit Anne-Marie nach Lee Vining
gefahren, um mit den Leuten vom Mono-Lake-Komitee zu reden. Aß im Wohnwagen
eine Pizza — ich glaube, er ernährt sich nur von dem Zeug. Dann hatten wir
unser Treffen. Am Samstag...« Er zuckte mit den Schultern. »Da habe ich ihn
erst gesehen, als er nachts in Ihre Hütte kam. Anne-Marie hatte ihn geweckt,
weil wir mit ihm über den Mord reden wollten.«
Ich sah Sanderman vor mir, wie er
frisch geduscht in die Hütte kam. »Okay, am nächsten Morgen sprach ich mit ihm
in der Frühe draußen auf dem Steg über Erickson und daß er ihn von früher
kannte. Die Geschichte wie auch all die privaten Dinge, die er mir erzählt
hatte, waren größtenteils erlogen.«
»Und am Sonntagnachmittag packte er
seinen Computer ein und fuhr unter dem Vorwand zurück nach Sacramento, sich
Zugang zu ein paar Akten verschaffen zu müssen.«
»Wann kam er zurück?«
»Erst gestern nachmittag.«
»Und er war die ganze Zeit in
Sacramento?«
Er runzelte die Stirn. »Das haben wir
angenommen. Anne-Marie hat Montag und Dienstag mehrmals mit ihm telefoniert,
doch am Mittwoch war er anscheinend nicht zu erreichen. Er könnte eigentlich
überall gewesen sein.«
Überall, dachte ich, also auch in San
Francisco, um Margot Erickson zusammenzuschlagen oder Lionel Ong zu entführen.
Doch welche Motive mochte Sanderman für das eine oder das andere haben?
»Denken Sie noch einmal an den
Samstag«, sagte ich zu Hy. »Sie kamen an dem Morgen in die Stadt, und wir haben
uns am Wohnwagen unterhalten. Ned war nicht da. Was haben Sie getan, nachdem
ich gegangen war?«
»Bin zum Flugfeld gefahren und habe die
Citabria gewartet. Habe ein paar Bier mit dem Burschen getrunken, der den Platz
verwaltet. Bin in die Stadt zurück und habe ein paar Lebensmittel gekauft. Habe
Anne-Marie und einen von den Friends vor dem Swifty Mart getroffen. Sie waren
auf dem Weg zum Dinner nach Bridgeport und haben Rose Wittington mit zu ihrer
Bibelgruppe genommen. Anne-Marie fragte mich, wo Sie steckten, und ich sagte
ihr, ich wisse es nicht. Dann lud sie mich auch ein mitzukommen, aber ich hatte
keine Lust. Ich machte mich auf den Heimweg, und ein paar Stunden später sind
Sie gekommen.«
»Das war also etwa um...«
»Vier Uhr, ungefähr.«
»Sind Sie sicher, daß Ned nicht dabei
war?«
»O Gott, nein. Er hat kein besonderes
Interesse am Umgang mit den Leuten hier. Scheint, als wären wir unter seinem
Niveau.«
»Eigentlich hält er alle Leute für
unter seinem Niveau. Mir hat er einmal gesagt, er zöge seine eigene
Gesellschaft der Gesellschaft anderer vor.« Ich schwieg und ging im Geist noch
einmal den Zeitplan durch, den wir aufgestellt hatten. »Hy, könnten Sie mir
wohl einen Gefallen tun?«
»Sicher — was für einen?«
»Erkundigen Sie sich in der Stadt, ob
jemand Earl Hopwood gesehen hat, nachdem er Dr. Mahoneys Praxis am
Samstagmorgen verlassen hat. Und dann gehen Sie zum Wohnwagen der Friends und
warten auf mich. Meine Kontaktfrau in San Francisco hat mir versprochen, mich
dort anzurufen, wenn sie Neues über Ong erfährt.«
»Und wo finde ich Sie, wenn ich Sie
brauche?«
»Im Lodge. Ich möchte etwas nachprüfen,
und dann werde ich mich mal mit Margot Erickson unterhalten.«
26
Roses Wagen stand wieder vor dem Lodge,
und hinter den Vorhängen des Aufenthaltsraums brannte Licht. Ich stellte den
Landrover unter einer Weide ab und ging den Hang hinunter, als wollte ich zu
meiner Hütte. Im Schutz des Wäldchens wandte ich mich dann zu der Hütte, die
Sanderman bewohnt hatte.
Die Tür stand noch immer offen, und der
Schlüssel lag auf dem Kaffeetisch. Da Rose ihn bis jetzt nicht geholt und
abgeschlossen hatte, nahm ich an, sie wußte noch nicht, daß Ned endgültig fort
war. Ich zog alle Vorhänge zu, schaltete die Lampen ein und durchsuchte die
Räume.
In einem der beiden Schlafzimmer lag
der Staub so dick, daß Sanderman zweifellos nie einen Fuß hineingesetzt hatte.
Im Badezimmer lag ein riesiger Haufen feuchter Handtücher, im Waschbecken
schwamm einsam ein aufgelöstes Aspirin. Das Bettzeug im größeren Schlafzimmer
war zerwühlt, die Bügel im Schrank leer. Im Papierkorb lag nur die Speisekarte
der Pizzeria beim Swifty Mart.
Im Wohnzimmer gab es noch
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