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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Spuren von Sandermans vorübergehender Anwesenheit: eine geschwärzte Birne auf
einem kleinen Couchtisch, ein Packen Hefte Sacramento Bees neben der Brennholzkiste. Ich schaute in den Kanonenofen. Er sah aus, als habe
Sanderman ihn nie benutzt. Ich hob die Polster auf der Couch und dem Sessel
hoch. Nicht einmal eine herrenlose Münze war daruntergerutscht. Schließlich
ging ich in die Küche und wußte schon, daß ich dort auch nichts finden würde.
Sanderman hatte seinen Widerwillen gegen die Küche deutlich genug zum Ausdruck gebracht:
»Ich würde mir dort nicht einmal Wasser heiß machen. Gott weiß, was für
Bazillen da überall auf der Lauer liegen.«
    Der Raum sah keineswegs unhygienisch
aus. Rose Wittington war stolz auf ihre Hütten. Als ich ankam, hatte sie
gesagt, sauberere Ferienhütten würde ich nirgends finden. Doch für das Auge war
die Küche schon eine Zumutung: die gleichen orangefarbenen Kacheln wie bei mir.
Türkis lackierte Schränke, der gallegrüne Fußboden und die ebenso grün
getünchten Wände bissen sich auf das wildeste mit den Kacheln.
    Außer der Farbenkombination kam mir
etwas anderes ungewöhnlich vor. Doch ich kam zunächst nicht darauf, was es war.
Dann merkte ich, daß der Kühlschrank und ein Eisenschränkchen ein wenig
verrückt waren. Ich ging näher und sah Kratzer vom Verschieben auf dem
Linoleum. Ich zog das Schränkchen ein Stück weiter von der Wand fort, fand aber
nichts dahinter. Ich holte meine Taschenlampe heraus und leuchtete hinter den
Kühlschrank. Auch dort nichts. Dann untersuchte ich den ganzen Raum, zuerst die
Wände und den Fußboden. Sie waren peinlich sauber, aber ein Bereich bei der Tür
zum Wohnzimmer wirkte noch sauberer, als wäre er gerade erst geschrubbt worden.
Rose konnte das nicht gewesen sein — sie stellte keine Raumpflege.
    Wie in meiner Hütte war es auch hier
eine Schwingtür, die an der Küchenwand festgehakt werden konnte. Ich ließ sie
zufallen und sah mir den Fußboden und die Scheuerleiste dahinter an. Eine
bräunliche Substanz war in die Fuge zwischen Linoleum und Scheuerleiste
gesickert, dort getrocknet und verklumpt, genau wie das Blut, das zwischen die
Fußbodenbretter in Earl Hopwoods Wohnzimmer gesickert war.
    Selbst die penibelsten Putzfrauen
übersehen Dinge, vor allem dann, wenn sie eine unangenehme Aufgabe und die auch
noch in Eile zu verrichten haben. Jemand hatte sorgfältig Blut vom Linoleum und
von der Wand gewischt, aber nicht damit gerechnet, daß die Neigung des
Fußbodens es in die Fuge zur Scheuerleiste fließen ließ.
    Ich stand schnell auf und überblickte
den Raum. Angenommen, auf den Menschen, dessen Blut hier geflossen war, war
geschossen worden. Wo würde der Schütze dann gestanden haben? Drüben am
Spülbecken oder neben dem Kühlschrank. Jedenfalls am Ende der Küchenbar. Was
hatte der Schütze —
    Nein, Ned Sanderman. Wer sonst? Und das
Opfer? Mick Erickson.
    Also gut, was hatte Ned in der Küche
gemacht? Vielleicht einen Drink für seinen Gast geholt. Und wo war die Waffe?
Hatte er sie bei sich, oder war sie irgendwo in diesem Raum? Wie dem auch sei,
er hatte hier in diesem Bereich gestanden.
    Ich blieb, wo ich war, und warf einen
prüfenden Blick zur anderen Küchenseite. Dann ging ich hinüber und in die
Hocke, um mir das Ende der Küchenbar genauer anzusehen. Etwa in Bauchhöhe gab
es eine Kachel mit einer angeschlagenen Stelle. Während die Bruchstellen und
Kratzer an vielen anderen Stellen mit der Zeit grau geworden waren, war diese
Beschädigung weiß — also neu.
    Ich richtete mich auf, streckte die
Hand aus, als zielte ich mit einer Waffe, und verglich die Höhe zwischen ihr
und der Küchenbar. Sanderman war nicht größer als ich. Er hätte die Waffe auf
gleicher Höhe gehalten.
    Es paßte. Er war in die Küche gegangen.
Erickson war ihm gefolgt. Er hatte die Waffe gezogen, sich umgedreht und
geschossen. Aber er hatte sich nicht gegen den Rückstoß abgestützt. Seine Hand
wurde zur Seite gerissen... so. Die Pistole schlug gegen die Kachel, und ein
Splitter sprang ab.
    Doch warum hatte er den Kühlschrank und
das eiserne Schränkchen verschoben? Um das Blut wegzuwischen, wäre es nicht
nötig gewesen. Und wäre er derart umsichtig gewesen, dann hätte er sicher auch
die Verkrustungen hinter der Schwingtür entdeckt. Warum sonst hatte er sich die
Mühe gemacht —
    Und da fiel mir ein, daß auf Mick
Erickson zweimal mit einer 22er Automatic geschossen worden war. Automatische
Waffen warfen

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