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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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die leeren Patronenhülsen aus. Und wenn eine irgendwo gelandet
war, wo Sanderman sie nicht hatte fallen sehen, und er sie suchen mußte?
    Ich lehnte mich an die Küchenbar und
dachte nach. Der Polizeiarzt hatte den Zeitpunkt von Ericksons Tod auf Sonntag
abend gegen sieben Uhr festgesetzt. Das Lodge lag relativ einsam, und da Mrs.
Wittington und Anne-Marie in Bridgeport waren, hatte niemand den Schuß gehört.
Es hatte Sanderman sicher einige Zeit gekostet, die Leiche loszuwerden, selbst
wenn er sie bloß zum See geschleppt und ins Wasser geworfen hatte. Dann mußte
er Ericksons geliehenen Bronco am Highway in der Nähe von Zelda’s abstellen,
die Fingerabdrücke wegwischen und zu Fuß zurückmarschieren. Selbst wenn das bis
halb neun oder neun gedauert hatte, blieben immer noch drei Stunden bis
Mitternacht, bis Anne-Marie kam und ihn abholte — mehr Zeit als genug, um das
Blut aufzuwischen und alle sonstigen Indizien zu entfernen.
    Selbst nach Anne-Maries Einladung hatte
sich Sanderman noch Zeit zum Duschen genommen, und als er dann in unserer Hütte
auftauchte, hatte er ausnehmend lebhaft gewirkt für einen Mann, der angeblich
aus tiefem Schlaf gerissen worden war. Lebhaft und irgendwie erregt. Warum?
    Ich dachte noch einmal über die
Patronenhülsen nach. Es mußten mindestens zwei gewesen sein. Ein Mann, der so
eine Hülse suchte, würde alles verrückt haben, was nicht festgeschraubt war.
Die Suche würde neben der Reinigung weitere Zeit gekostet haben. Und wenn er
sie nicht gefunden hatte, dann war sie vielleicht noch hier.
    Also fing ich nun selbst an zu suchen:
zuerst an den nahe liegenden Stellen, dann an denen, die möglich, aber nicht
wahrscheinlich waren. In den verblaßten Kattun-Vorhängen am Fenster hatte sich
nichts verfangen. Das Sieb im Ablauf des Spülbeckens war zu fein, da gingen nur
Krümel durch. Der Fettfang unter den Gasbrennern des Herdes war leer. In den
Schubladen lagen nur Küchengegenstände. Die Geschirrschränke waren leer bis auf
das Notwendigste. Ich kippte das Eisenschränkchen zurück und leuchtete mit der
Taschenlampe darunter. Vielleicht hatte es eine Leiste, gegen die die Hülse
geprallt war. Ich sah in den Ofen, prüfte das Innere des Eisschranks. Die
Platte der Küchenbar war leer bis auf eine kleine Kaffeemaschine, die gleiche
wie in meiner Hütte...
    Die Maschine sah ich mir genauer an.
Sah, daß der Einfüllöffnung für das Wasser die gewohnte Plastikkappe fehlte.
Sie konnte nicht mehr allzugut funktioniert haben. Es mußte immer eine Menge
Wasser verdampft sein.
    Und da kam mir der Gedanke, daß
Sanderman sie vielleicht nie benutzt hatte. Wahrscheinlich wußte er nicht
einmal, wie man sie bediente, denn er trank weder Kaffee noch Tee. Warum sollte
ihm also diese kleine Öffnung aufgefallen sein?
    Ich zog die Maschine näher, kippte sie
ein wenig und sah in den Wasserbehälter. Am Boden lag die metallgraue
Geschoßhülse. Eine 22er Patronenhülse, ganz sicher.
    »Na also«, sagte ich leise.
    Ich nahm die Hülse nicht heraus und
stellte die Kaffeemaschine an ihren ungefähren Platz auf der Küchenbar zurück.
Schaltete das Küchenlicht aus und eilte ins Badezimmer. Die meisten Handtücher,
die dort herumhingen, waren vom normalen Gebrauch feucht, aber drei große waren
über die Duschvorhangstange gehängt worden, und sie waren beim Trocknen steif
geworden, als wären sie mit einem Reinigungsmittel in Berührung gekommen. Unter
dem Waschbecken fand ich eine große, fast leere Flasche Formula 409.
    Wahrscheinlich hatte er angenommen, ein
Reiniger würde alle Blutspuren beseitigen. Aber im Kriminallabor würde man sie
ohne Probleme zum Vorschein bringen.
    Mir war klar, daß ich keine Zeit zu
verlieren hatte. Also schaltete ich alle übrigen Lichter in der Hütte aus,
verschloß die Tür und sprintete den Hügel zum Haupthaus hinauf.
    Rose Wittington wollte mich nicht
hereinlassen. Sie blieb hinter der verschlossenen Tür stehen und sagte ganz
ruhig, ich solle morgen wiederkommen.
    Ich schrie zurück, daß ich nicht gehen
würde. Daß ich den Sheriff anrufen müsse. Daß ich wisse, Margot sei bei ihr im
Haus, und wenn sie nicht mit mir reden wolle, dann könne sie das verdammt noch
mal auch mit der Polizei tun. Und dann trat ich gegen die Tür.
    Der Riegel wurde umgelegt, und Rose
stand vor mir. Ein harter, mißbilligender Blick verunzierte ihre sonst so
freundlichen Züge. Sie sagte: »Nicht so laut, junge Dame. Man hörte Sie ja bis
hinüber nach Nevada. Und ruinieren Sie

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