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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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meinem Gästezimmer schlief meine Mutter den
Schlaf der Gerechten — und ich war nicht ganz sicher, ob sie das Recht dazu
hatte. Als erstes versuchte ich, meinen Vater in San Diego zu erreichen. Das
Telefon klingelte ein dutzendmal, bevor mir aufging, daß er wahrscheinlich in
der Garage war, wo es keinen Anschluß gab. Als nächstes rief ich bei meinem
Bruder in Chula Vista an. Dort meldete sich aber nur der Anrufbeantworter des
Malergeschäfts, das er von seiner Wohnung aus managte. Auch bei Charlene war
niemand daheim, und Ma hatte mir verboten, mit den anderen Geschwistern zu
sprechen.
    Das ist lächerlich, dachte ich. Mitten
in der größten Familienkrise aller Zeiten war kein McCone zu erreichen, mit dem
man darüber reden konnte.
    Noch immer finsteren Blicks schlürfte
ich meinen Kaffee und blätterte im Terminkalender. Bis ein Uhr hatte ich nichts
eingetragen. Dann war ein Treffen mit einem stellvertretenden
Bezirksstaatsanwalt wegen meiner Aussage in einem bevorstehenden Mordprozeß
fällig. Ich sah mir meine Unterlagen über den Fall an, und meine düstere
Stimmung wurde noch düsterer. Es war der Fall, an dem ich gearbeitet hatte, als
ich George kennenlernte, und die Fakten erschienen mir noch genauso
deprimierend und schmutzig wie vor Monaten. Ich brauchte mich nicht auf das
Gespräch vorzubereiten, und so wandte ich mich schnell dringenderen Geschäften
zu und wählte die Nummer des Coalition-Wohnwagens in Vernon. Niemand hob ab,
also rief ich nebenan an, wo die Friends of Tufa Lake residierten.
    Ripinsky meldete sich. Er klang müde
und schlecht gelaunt — ein Morgenmensch war er gewiß nicht wurde aber
freundlicher, als ich meinen Namen nannte. »Hoffe, Sie rufen an, um mir eine
gute Nachricht zu verkünden.«
    »Eigentlich wollte ich nur etwas
fragen.«
    »Dann mal los.«
    »An dem ersten Abend, als ich bei Ihnen
draußen war, erwähnten Sie, daß Sie an einer PR-Tour durch das Minengebiet teilgenommen
und mit dem beauftragten Geologen von Transpacific gesprochen haben. Gehörte er
zum Stab der Angestellten, oder hatte er einen Beratervertrag?«
    »Er war Berater. Ich habe hier irgendwo
seine Karte. Moment.« Er legte den Hörer mit einem Knall nieder. Nach einer
halben Minute war er wieder am Apparat. »Habe sie gefunden. Er heißt Alvin K.
Knight. Adresse: Los Palmos Drive in San Francisco.« Er las sie mir mitsamt der
Telefonnummer vor.
    »Steht da auch ein Firmenname?«
    »Nein, es heißt nur ›Bergbaugeologe‹.
Vielleicht ein Einmannbetrieb.«
    »Seltsam — ich hätte gedacht,
Transpacific würde sich bei einem Projekt dieser Größe auch an eine große Firma
wenden.«
    »Vielleicht ist der Bursche besonders
gut, McCone.«
    »Vielleicht.« Ich zögerte. »Ist bei
euch alles okay?«
    »Abgesehen davon, daß Ned noch in
Sacramento und Anne-Marie stinksauer auf ihn ist, ja.«
    »Keine weiteren Einbrüche oder...
sonstwas?«
    »Alles bestens. Wirklich, ich habe so
wenig zu tun, daß ich daran denke, das Büro zu schließen und heute blauzumachen.«
    »Wo ist Anne-Marie? Ich habe bei der
Coalition angerufen, aber dort hat niemand abgehoben.«
    »In ihrer Hütte. Arbeitet an dem
Projekt, das sie unterbrechen mußte, als sie herkam.«
    »Ihr wartet also alle beide nur auf
mich.«
    »So ungefähr.«
    »Na gut, ich versuche, euch bald etwas
zu liefern.«
    »Tun Sie das. Und melden Sie sich
wieder.«
    Ich hängte ein und wählte dann die
Nummer von Alvin K. Knight, dem Bergbaugeologen. Wieder meldete sich ein
Anrufbeantworter und nahm meine Nachricht auf. Manchmal hasse ich die angenehme
Erfindung dieser Maschinen.
    Ich hatte noch Routinearbeiten zu
erledigen: Akten ablegen, Briefe beantworten — alles, was zu den Schattenseiten
einer Existenz als Privatdetektivin gehört. Um halb zwölf hatte ich noch fünf
Anrufe erledigt und den größten Teil des Papierkrams hinter mich gebracht.
Nachdem die Anrufe alle ein wenig lästig gewesen waren, reagierte ich ärgerlich
auf das Lämpchen, als es den sechsten ankündigte. Statt das Gespräch
entgegenzunehmen, hieb ich auf den Verbindungsknopf der Sprechanlage.
    »Was ist?« wollte ich wissen.
    »Einen ganz besonders schönen guten
Morgen wünsche ich«, sagte Ted.
    »Tut mir leid. Beim üblichen
Montagskrach war ich nicht hier, der Dienstag ging gut, aber der Mittwoch hat
mich voll erwischt.«
    »Entschuldigung akzeptiert. Es ist
George — das sollte dich aufmuntern.«
    »Danke.« Ich hieb auf den flackernden
Leuchtknopf. »Hi. Hast du dich von Mas Besuch

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