Niemandsland
in der Garage endete. Dann ging ich ins Badezimmer, wo besseres Licht
war, und legte ein Extra-Make-up auf in der Hoffnung, so meine schlimmsten
Wunden im Gesicht abdecken zu können. Am Ende wirkten sie nur noch
unheimlicher. Also wusch ich mir das Gesicht und machte mich wie üblich
zurecht.
Ich ging in die Küche und schob die
Katzen mit dem Fuß hinaus, goß mir eine Tasse Kaffee ein und legte alle drei
Bände des Telefonbuchs von San Francisco auf den Tisch. In den Gelben Seiten
fand ich keine Rubrik ›Geologen‹, aber auf den weißen Seiten stand unter ›Staat
Kalifornien‹ die Nummer einer Kommission in Sacramento, bei der Geologen und Geophysiker
registriert waren.
Ich rief dort an, erklärte, meine Firma
habe vor, Alvin K. Knight eventuell als Berater zu engagieren, und fragte, ob
ich Informationen über ihn bekommen könnte. Der Mann, der sich gemeldet hatte,
sagte, die Kollegin, die mir da helfen könne, sei erst am Nachmittag im Hause.
Ob sie zurückrufen solle? Ich gab ihr die Nummer von All Souls.
Danach rief ich bei Ong zu Hause an.
Wie erwartet, läutete das Telefon und läutete. Ich rief die Transpacific
Corporation an und wurde mit seiner Sekretärin verbunden. Sie sagte, Ong sei
noch nicht da. Ich erklärte ihr, ich sei Journalistin, arbeite an einem noch
unvollständigen Interview für das Magazin der Sino-American Alliance und müsse
Mr. Ong dringend sprechen. Auch da nannte sie keine bestimmte Zeit, zu der er
im Büro erwartet würde, aber mir kam es so vor, als klänge in der Stimme der
Frau unterschwellig eine gewisse angespannte Verwirrung mit.
Schließlich rief ich in der Wohnung der
Ericksons im Barbary Park an. Eine kurze, von einer männlichen Stimme auf Band
gesprochene Nachricht ließ mich wissen, daß Mick und Margot im Moment nicht zu
erreichen seien, aber so bald wie möglich zurückrufen würden.
Ich hängte vor dem Pfeifton ein, denn
ich war sicher, Margot würde nicht zurückrufen. Aber die Stimme auf dem Band —
es mußte wohl Micks sein — verfolgte mich. Nach einer Weile nahm ich meinen
Kaffee, ging auf die Terrasse und wanderte ziellos umher, den Blick
nachdenklich auf die Rosenbüsche am Rand gerichtet. Ihre späte Blüte war fast
vorüber. Die verbliebenen Reste waren verkümmert und welk. Wieder hörte ich
Mick Erickson seine Sprüche »nicht zu erreichen« und »so bald wie möglich«
aufsagen.
Auf immer unerreichbar, dachte ich, und
was möglich erschienen war, als er die Ansage auf Band gesprochen hatte, blieb
ihm nun und für alle Zeiten verwehrt. Vielleicht würde auch mich meine Stimme
eines Tages überleben und zu meinen Freunden und Verwandten wie aus dem Grab
sprechen...
Es war nicht klug, sich derartigen
Gedanken hinzugeben, auch nicht in der hellen Morgensonne. Ich ging wieder
hinein und sah ungeduldig auf die Küchenuhr. Zehn Uhr siebzehn. Warum, zum
Teufel, hatte Rae noch nicht angerufen? Sie hatte gesagt, sie wolle als erstes
ins Rathaus gehen und sich nach dem Besitzer des Hauses am Telegraph Hill
erkundigen.
Mein Aktenkoffer mit dem Tonbandgerät
und dem Ong-Interview lag noch im Wagen. Ich ging hinunter in die Garage, holte
ihn und spielte das Band. Nichts hatte einen direkten Bezug zu meinen
Ermittlungen. Ich war gerade erst bei meinen zusätzlichen Fragen zu dem
vorbereiteten Interview angekommen, als Ongs Telefon läutete. Als nächstes ging
ich meine Aufzeichnungen über den Fall durch. Ich hatte sie wahllos in mein
Ringbuch gekritzelt, das ich immer in der Handtasche hatte. Fakten, Eindrücke,
Vermutungen, Theorien. Ein paar kreuzte ich an, andere unterstrich ich, wieder
andere wurden mit einem dicken X durchgestrichen. Aber das war nur
Beschäftigungstherapie. Eigentlich wartete ich nur auf Raes Anruf.
Nach einer weiteren Viertelstunde meldete
ich mich bei All Souls. Vielleicht hatte sie ja vergessen, daß sie hier anrufen
sollte, wenn ich nicht im Büro war. Keine Nachricht von ihr, dafür aber zwei
andere. Marcy Cheung wollte wissen, wie das Interview verlaufen sei, und
Kristen Lark aus Mono County fragte nach meinen Fortschritten in unserem Fall.
»Hank will auch noch mit dir sprechen
über...« Ted unterbrach sich. Ich konnte hören, wie er seine Zettel
durchblätterte. »Über die Geschichte, die ihr gestern am späten Nachmittag
besprochen habt. Er nimmt gerade eine Aussage zu Protokoll. Gegen Mittag ist er
frei.«
»Sag ihm, ich komme später vorbei.«
Ich legte auf und rief die
Sino-American Alliance an. Marcys Apparat war
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