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Nietzsche und Wagner: Geschichte einer Hassliebe

Nietzsche und Wagner: Geschichte einer Hassliebe

Titel: Nietzsche und Wagner: Geschichte einer Hassliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Decker
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… beabsichtigte.«
    Ist das nicht sein Verhältnis zur Musik geblieben? Und gerade weil er zur Musik das Verhältnis eines Schauspielers habe, könne er gleichsam aus ganz verschiedenen Musikerseelen sprechen, einander fremde Welten erschaffen wie den »Tristan« und die »Meistersinger«.
    Was auf Wagner stark wirkte, das wollte er auch machen. Von seinen Vorbildern verstand er nicht mehr, als er auch nachmachen konnte. Schauspieler-Natur. 323
    Und zwar eine von besonderer Unbändigkeit, Maasslosigkeit; er geht bis auf die letzten Sprossen seiner Kraft, seiner Empfindung.
    Man dürfe von einem Künstler nicht Reinheit und Uneigennützigkeit verlangen, doch leuchte aus Bach oder Beethoven eine reinere Natur. Auch sei das Ekstatische bei Wagner oft gewaltsam und nicht naiv genug, zudem durch zu starke Contraste zu stark in Szene gesetzt.
    »Was mir an Wagner verdächtig ist«, könnte die Überschrift zu diesen Sequenzen heißen. Was sie erklären sollen, weiß er wohl auch noch nicht. Wagner ist eine regierende Natur; nur dann in seinem Elemente, nur dann gewiß mässig und fest: die Hemmung dieses Triebes macht ihn unmässig, excentrisch, widerhaarig. Aber das klingt doch eher nach Indizien des Erfolgs statt nach solchen des Misslingens.
    Überhaupt scheint Nietzsche hier den Idealtypus eines Intendanten zu porträtieren: Die Heiterkeit Wagner’s ist das Sicherheitsgefühl dessen, der von den grössten Gefahren und Ausschweifungen zurückgekehrt, in’s Begrenzte und Heimische: alle Menschen, mit denen er umgeht, sind solche begrenzte Abschnitte aus seinem eignen Laufe (wenigstens empfindet er nichts mehr an ihnen) deshalb kann er hier heiter und überlegen sein, denn hier kann er mit allen Nöten Bedenken spielen .
    Keiner unserer großen Musiker sei in seinem 28. Jahr noch ein so schlechter Musiker gewesen, notiert Nietzsche. Er hat das bei Wagner selbst gelesen.
    Die Jugend Wagners die eines vielseitigen Dilettanten, aus dem nicht Rechtes werden will.
    Ich habe oft unsinnigerweise bezweifelt, ob Wagner musikalische Begabung habe.
    Seine Natur theilt sich allmählich: neben Siegfried, Walter, Tannhäuser tritt Sachs - Wotan. Er lernt den Mann zu begreifen, sehr spät. Tannhäuser und Lohengrin sind Ausgeburten eines Jünglings.
    Er lief seinem Amte davon, weil er nicht mehr dienen wollte.
    Friedrich Nietzsche sammelt Indizien. Aber was erklären sie? »Richard Wagner in Bayreuth« soll die Schrift heißen. Er entwirft eine Gliederung. Punkt 1: Ursachen des Mißlingens.
    Aber zuletzt findet er doch immer wieder nur eine. Es liegt etwas Komisches darin: Wagner kann die Deutschen nicht überreden, das Theater ernst zu nehmen. … Jetzt zumal glauben die Deutschen ernsthafter beschäftigt zu sein und es kommt ihnen wie eine lustige Schwärmerei vor, daß Jemand der Kunst sich so feierlich zuwendet.
    Aber da ist noch einer, der gar nicht wüsste, wo er leben sollte, wenn nicht in der Kunst. Auch er verbringt den Jahresanfang damit, über Richard Wagner und das Scheitern nachzudenken. Und über die königliche Kasse, die, so viel muss er schon sagen, »auf keineswegs brillantem Fuße steht« 324 . Am 25. Januar schließ lich beginnt er einen Brief nach Bayreuth: »Vielgeliebter, theuerster Freund! Recht von Herzen bitte ich Sie um Verzeihung, Ihnen so lange nicht geschrieben zu haben; durch das Vertiefen in meine historischen Werke bin ich gar nicht mehr zum Briefschreiben gekommen.« Usw. usw. Vielleicht liest der Adressat etwas ungeduldig. Was zählen jetzt noch Briefe? »Ein Trost ist es für mich, daß Sie mich kennen und sicher wissen, daß meine treue, aufrichtige Freundschaft für Sie und meine Begeisterung für Ihre himmlischen, unvergleichlichen Werke so fest in meiner Seele wurzeln … Nein, nein und wieder nein! so soll es nicht enden! Es muß da geholfen werden! Es darf unser Plan nicht scheitern. Parcifal kennt seine Sendung und wird aufbieten, was irgend in seinen Kräften steht.« Er, Ludwig – Parcifal? Die »Kräfte« sind der kritische Punkt, die Kasse »auf dem keineswegs brillanten Fuß« habe ihn bis jetzt zurückgehalten, »zum Zögern war ich verdammt«. Und der König verstummt wieder, jedoch mit dem Vorsatz: »Dir will ich treu zur Seite steh’n, sei es auf Tod, auf Untergehen!« 325 Der Empfänger in Bayreuth mag den Brief nicht lesen, er ist im Augenblick etwas empfindlich gegen große leere Worte, er wartet auf seine Frau, die ihm das Ganze zusammenfassen möge. Gewährt er nun die

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