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Nietzsche und Wagner: Geschichte einer Hassliebe

Nietzsche und Wagner: Geschichte einer Hassliebe

Titel: Nietzsche und Wagner: Geschichte einer Hassliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Decker
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Garantie oder nicht? Es steht nicht drin.
    Schon fünf Tage darauf meldet Düfflipp vom Königlichen Hofsekretariat, »daß die Luft von Hohenschwangau her für das Bayreuther Unternehmen seit einigen Tagen entschieden günstiger weht, daß ich beauftragt bin, bei meinem nächsten Vortrage nochmals hierüber zu referiren und daß ich wahrscheinlich schon am 5. Februar Herrn Feustel« – dem Bayreuther Kassenverwalter – »etwas Besseres als bisher werde mitteilen können.« 326
    Richard Wagner teilt indes seinem König mit, dass ihm ein Glück widerfahre, an dass er schon nicht mehr geglaubt habe; den vertrauten Freund habe er wie früher sich zulächeln sehen: »Weißt du denn nicht, daß Wir das Gleiche wollen?« 327
    Am 4. April – es ist der Sonnabend vor Ostern – schreibt Nietzsche an Malwida von Meysenbug, obwohl er fast die Hand vor Augen nicht mehr sieht. Er müsse sehr vorsichtig sein, doch gebe es einen Zustand körperlichen Leidens, der einem mitunter wie eine Wohlthat erscheint; denn man vergißt darüber, was man sonst leidet, oder vielmehr: man meint, es könne einem geholfen werden, wie dem Leib geholfen werden kann. Das ist meine Philosophie der Krankheit: sie giebt Hoffnung für die Seele. Und ist es nicht ein Kunststück, noch zu hoffen? 328
    Hoffnung für die Seele? Was hier gefordert ist, sind Taten, weiß Richard Wagner. Und diese Taten sollen nicht der Seele gelten, sondern dem Körper. »Er muß heiraten oder eine Oper schreiben!«, spricht der Imperator am gleichen Tag zu seiner Frau.
    Der Gegenstand der Baseler Jahresanfangsuntersuchung meldet in die Schweiz, dass das große Haus nun doch fertig werde und ihr etwas kleineres auch, sogar schon im Mai, und darin sei dann ein Zimmer, das gehöre ihm. Ein neues Zimmer! Ein neuer Professor! Wo hat der bloß seine Gesundheit verloren?
    Die Augen also, immer noch, schon wieder. Richard Wagner ist alarmiert. Das Leiden scheint ihm symptomatisch für unverheiratete junge Männer. Andererseits klagt auch Cosima gerade über zunehmende Weltverdunklung und -entrückung, aber Richard Wagner hat nicht vor, sich ablenken zu lassen. Der Philosoph ist der Arzt der Kultur, sagt der Freund? Es mag schon sein, dass der Philosoph das Gemeinwesen heilt, zumindest theoretisch. Wer aber heilt den Philosophen, zumindest theoretisch? Er, Richard Wagner. Bayreuth ist gerettet. Jetzt muss auch Friedrich Nietzsche gerettet werden, der Meister kennt den Weg.
    Er wird denkbar deutlich, so deutlich, wie es der Respekt gerade noch zulässt. Die Botschaft lautet: Friedrich Nietzsche lebt falsch. Es sind nicht die Augen, es ist der Unterleib. Der muss anders – oder überhaupt erst? – beschäftigt werden.
    »Ich meinte, Sie müssten heirathen, oder eine Oper komponiren … Das Heirathen halte ich aber für besser.« Vorerst könne er ihm nur anbieten, die ganzen Sommerferien bei ihnen zu verbringen, in seinem neuen Zimmer, in ihrem neuen Haus. »Wir können Ihnen etwas sein … alle Nibelungensänger lasse ich die Revue passiren; der Decorationsmaler malt, der Maschinist richtet die Bühne her: und dann sind wir mit Haut und Haar auch noch dabei!« 329 Der Meister gibt sich Mühe. Er schlägt all das vor und weiß doch, es ist schon ausgeschlagen. Friedrich Nietzsche hat sich vorgenommen, den Sommer über auf einem hohen Schweizer Berg zu sitzen. Richard Wagner könnte böse werden, aber er will nicht: »Ach Gott! heirathen Sie eine reiche Frau! Dann reisen Sie … und komponiren Ihre Oper, die aber gewiss schändlich schwer aufzuführen werden wird. Welcher Satan hat Sie nur zum Pädagogen gemacht! – Sie sehen, wie radical mich wieder Ihre Mitteilungen bestimmt haben: aber – weiß Gott! – ich kann so etwas nicht mit ansehen. –
    Nun, übrigens: nächstes Jahr im Sommer volle Proben (auch bereits mit Orchester) in Bayreuth: 1876 die Aufführungen. Eher geht es nicht. –
    Ich bade jetzt täglich, weil ich es nicht mehr mit meinem Unterleibe aushalten konnte. Baden Sie auch! Essen Sie auch Fleisch! – Allerherzlichste Grüsse von Ihrem getreuen R. W. « 330
    Zwei Monate später, am 9. Juni:
    »Oh, Freund!
    Warum kommen Sie nicht zu uns?
    Ich finde für alles einen Ausweg …
    Ihr Zimmer ist bereit.
    Doch – oder vielmehr:
    Jedoch! –
    Oder auch:
    ›wenn schon‹! –
    Im Augenblick nach dem Empfang Ihrer letzten Zeilen.
    Ein andres Mal mehr Von Herzen Ihr R. W. « 331
    Aber er kann nicht weglaufen aus Basel, noch nicht. Dass er es wohl eines Tags an der

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