Niewinter 01 - Gauntlgrym
machen, werde ich dich mit Vergnügen vollständig vernichten.«
Dor’crae blickte auf. Seine Miene verriet, dass er ihr jedes Wort glaubte.
»Und jetzt liebe mich, und zwar ordentlich. Um deinetwillen«, verlangte die Elfe.
Es war ein lustiger Ausflug gewesen. Die Kaulquappen waren gerade frisch geschlüpft, und das zwölfjährige Elfenmädchen hatte sich stundenlang damit vergnügt, ihr Gewimmel am Bachufer zu beobachten. Ihre Mutter hatte sie Wasser holen geschickt, aber betont, dass es nicht eilig war. Ihr Vater war sowieso den ganzen Tag auf der Jagd, und das Wasser wurde erst abends benötigt.
Dahlia stieg die Böschung hoch. Sie sah den Rauch, hörte die Schreie und wusste, dass das Verhängnis gekommen war.
Sie hätte fliehen sollen. Sie hätte sich umdrehen sollen, zum Bach zurücklaufen und darüberspringen. Sie hätte das dem Untergang geweihte Dorf verlassen und sich in Sicherheit bringen sollen, um vielleicht später ihren Vater wiederzufinden.
Stattdessen rannte sie nach Hause und schrie nach ihrer Mutter.
Wo die Nesser-Barbaren warteten.
Dahlia verdrängte die Erinnerungen und konzentrierte sich auf ihr Dominanzbedürfnis. Mit einem Klaps schob sie den Vampir zur Seite und rollte sich auf ihn, um die volle Kontrolle zu übernehmen. Dor’crae war ein wirklich ausgezeichneter Liebhaber (der einzige Grund, weshalb sie ihn so lange am Leben gelassen hatte), und ihre Ablenkung hatte ihm die Oberhand verschafft. Aber nur für kurze Zeit. Sie ging wütend auf ihn los, was dem Liebesspiel eine gewaltsame Note verlieh. Sie boxte und kratzte ihn und zeigte ihm genau in dem Moment ihren Fingeraufsatz, als sie sich dem vollen Genuss hingab, während sie ihm den seinen versagte.
Dann entzog sie sich und schickte ihn fort, nicht ohne die Warnung, dass ihre Geduld am Ende war und dass er ihr nicht unter die Augen treten sollte, ehe er mehr über den Hauptturm und die denkbare Katastrophe im Westen wüsste.
Wie ein geprügelter Hund zog der Vampir ab und überließ Dahlia ihren Erinnerungen.
Sie töteten die Männer. Sie töteten die jüngsten und die ältesten Frauen, alle, die nicht im gebärfähigen Alter waren, und mit den beiden Schwangeren im Dorf sprangen die Barbaren am grausamsten um: Sie schnitten den armen Frauen die Kinder aus dem Leib und ließen sie sterbend auf dem Boden liegen.
Die anderen wurden von den Nesser-Barbaren wiederholt vergewaltigt. Denn sie waren so besessen von der Vorstellung der Sterblichkeit, dass sie die Begattung der Elfenfrauen als eine Art Jungbrunnen ansahen, der ewige Jugend verhieß.
Ihr Kleid war ganz ähnlich geschnitten wie das, das Dahlia am selben Tag getragen hatte: hoher Kragen und tiefer Ausschnitt, viel Haut. Niemand hätte bestreiten können, dass Sylora Salm sich sehr verführerisch präsentierte. Auch ihr Kopf war glatt rasiert, so dass kein Haar ihren hübschen Schädel verunzierte. Sie war einige Jahre älter als Dahlia, doch obwohl Sylora eine Menschenfrau war, hatte das Alter ihrer Schönheit noch nicht zugesetzt.
Sie stand am Rande eines toten Waldes, wo die abgestorbenen Reste einstmals stolzer Bäume in den Rand des neuesten Todesrings ragten, einen schwarzen, sich ausbreitenden Kreis absoluter Verwüstung. In diesem Sinnbild der Perversion, wo Asche nichts als Asche und Staub nichts als Staub sein konnte, war keinerlei Leben mehr. Obwohl Sylora wie für einen Hofball gekleidet war, wirkte sie an diesem Ort nicht fehl am Platz, denn die Kälte, die sie ausstrahlte, schien den Tod gut zu ergänzen.
»Der Vampir hat sich erkundigt«, erklärte ihr Begleiter, Themerelis, ein breitschultriger junger Hüne von knapp zwanzig Jahren. Er trug nur einen kurzen Kilt, wadenhohe Stiefel und ein offenes Lederwams, das seine ausgeprägte Muskulatur betonte. Seinen schweren Zweihänder hatte er über den Rücken gehängt.
»Was will die Hexe im Hauptturm des Arkanums?«, überlegte Sylora, die sich dabei von Themerelis abwandte. »Dieses Ungetüm ist vor fast hundert Jahren eingestürzt, und die letzten Überlebenden der Arkanen Bruderschaft scheinen nicht geneigt zu sein, ihn wieder aufzubauen.«
»Dazu wären sie ohnehin nicht in der Lage«, meinte Themerelis. »Selbst vor der Zauberpest lagen die Zauberkünste, die ihn zusammenhielten, weit jenseits ihrer Fähigkeiten. Schade um all die verlorene Magie.«
Sylora betrachtete ihn spöttisch. »Hast du das in der Bibliothek gehört, als du Dahlia nachgeschlichen bist?« Sie hob die Hand, bevor ihr
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