Niewinter 01 - Gauntlgrym
neue schreckliche Finsternis ist angebrochen, die jeden zum Narren erklärt, der sich anschickt, die Dinge zurechtzurücken.
Früher hätte ich Licht mitgeführt, um diese Finsternis zu durchbohren. Jetzt bringe ich meine zu lange unberührten Klingen, und ich heiße die Dunkelheit willkommen.
Nie wieder! Die offene Wunde des schlimmen Verlusts ist Vergangenheit!
Ich lüge.
Drizzt Do’Urden
1
Die Verdammte
Im Jahr der Wiederentdeckung (1451 DR)
Es war ein interessantes Gerät, das sie konstruiert hatte: eine Art kegelförmiger Fingerhut aus glattem Zedernholz, spitz zulaufend wie ein winziger Speer und passend für ihren Finger. Sie zog es über, drehte leicht an einem Knoten im Holz, und schon verwandelte sich der Fingerspeer auf magische Weise in einen zauberhaften Saphirring.
Das glitzernde Schmuckstück passte ausgezeichnet zu Dahlia Sin’felles eindrucksvoller Erscheinung. Der Kopf auf ihrem schlanken, geschmeidigen Elfenleib war bis auf eine einzige Strähne rabenschwarzer und leuchtend roter Locken kahl rasiert, und diese Strähne hing, zu einem schmalen Zopf geflochten, auf der rechten Seite ihres fein geschnittenen Gesichts bis in die Mulde ihres täuschend zarten Halses. Die langen Finger, an denen noch weitere Ringe steckten, wiesen perfekt gepflegte, weiß lackierte Nägel auf, die mit winzigen Diamanten besetzt waren. Ihre eisblauen Augen konnten das Herz eines Mannes mit nur einem Blick zu Eis erstarren oder dahinschmelzen lassen. Dahlia wirkte wie der Inbegriff des Adels von Tay, eine große Dame unter den Größten dieses Landes, eine Frau, bei deren Eintreten sich alle Köpfe vor Begehren, Ehrfurcht oder mörderischer Eifersucht der Tür zuwandten.
Sie trug sieben Diamanten im linken Ohr, einen für jeden Liebhaber, den sie umgebracht hatte, und zwei weitere, blitzende Knöpfchen im rechten Ohr für die Liebhaber, deren Tod noch bevorstand. Der Männermode jener Tage gemäß, die jedoch kaum eine Frau aus Tay nachahmte, hatte Dahlia ihren Kopf mit Färberwaid tätowiert. Die rechte Seite ihres nahezu haarlosen Schädels und Gesichts war mit blauen und lila Punkten verziert, deren berückendes Muster so meisterlich gestaltet war, dass es in den Augen des Betrachters immer wieder unterschiedlich wirkte. Wenn die Frau ihren Kopf anmutig nach links drehte, erinnerte sie an eine Gazelle, die durch das blaue Schilf schnellte. Fuhr sie erregt nach rechts, so schien eine große Katze zum Sprung anzusetzen. Blitzte jedoch in ihren blauen Augen die Lust auf, so konnte ihr Opfer, ob Mann oder Frau, sich leicht in den verwirrenden Mustern ihrer Farben verfangen, um womöglich für immer darin festzuhängen.
Dahlia trug ein scharlachrotes ärmelloses und rückenfreies Gewand mit tiefem Ausschnitt, in dem die weichen Rundungen ihrer Brüste einen auffälligen Kontrast zu dem klaren Saum des kostbaren Stoffes bildeten. Ihr Kleid war fast bodenlang, auf der rechten Seite jedoch sehr hoch geschlitzt, womit sie die Augen lüsterner Zuschauer, ob Männer oder Frauen, von ihren glitzernden, rot lackierten Zehennägeln über die feinen Riemen ihrer dunkelroten Sandalen die porzellanweiße Haut ihres wohlgeformten Beins fast bis zur Hüfte hinaufgleiten ließ. Dort wurde das Auge unwillkürlich zur Spitze des Ausschnitts gezogen und wanderte über das glänzende Ende des schwarz-roten Zopfes aufwärts, bis das ganze Bild von dem weiten, geöffneten Kragen abgerundet wurde, der ihren schlanken Hals hervorhob, auf dem ihr perfekt geformter Kopf saß wie ein frisches Blumengebinde in einer kunstvollen Vase.
Dahlia Sin’felle kannte die Macht ihrer Schönheit.
Ein Blick auf das Gesicht von Korvin Dor’crae, der gerade ihr Zimmer betrat, bestätigte ihre Selbsteinschätzung. Mit leuchtenden Augen kam er zu ihr und legte beide Arme um die Frau. Dor’crae war weder groß noch besonders muskulös, aber sein Griff wurde von seinem Begehren verstärkt, und er zog sie unsanft an sich, um ihr Gesicht mit Küssen zu bedecken.
»Du wirst zweifellos bald zufrieden sein, aber was ist mit mir?«, fragte sie mit unschuldiger Stimme, die ihren Sarkasmus nur noch betonte.
Dor’crae wich weit genug zurück, um ihr in die Augen sehen zu können, und lächelte so breit, dass seine Vampirzähne zum Vorschein kamen. »Ich dachte, du teilst meinen Genuss, Herrin«, sagte er und begann, sanft an ihrem Hals zu knabbern.
»Sachte, mein Guter«, flüsterte sie, bewegte sich dabei aber so herausfordernd, dass Dor’crae dazu ganz
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