Niewinter 02 - Salvatore, R: Niewinter 02 - Neverwinter
mit lila Feenfeuer beleuchtet hätte, hätte er nahtlos nach Menzoberranzan zwischen die dortigen Stalagmitenbauten gepasst, in denen die verschiedenen Drow-Familien lebten.
Das ganze Bauwerk strahlte auch die gleiche Unwirklichkeit aus wie Menzoberranzan. Die schwarzen Wände bestanden nicht aus von Mörtel verbundenen Ziegeln, sondern sahen so aus, als hätten sie sich auf magische Weise direkt aus dem Boden gehoben, wie aus einem Stück herausgepresst. Es waren auch andere Bauteile zu sehen, die meist über die Mauern hinausragten, und auch diese waren offenbar erschaffen worden, nicht erbaut: große, geschwärzte Felsen, die sehr schlicht zu rechteckigen Steinhäusern geformt waren und an Kasernen und andere Zweckbauten erinnerten. Eines davon, das auf der gegenüberliegenden Seite lag, stand offen, sodass sie hineinsehen konnten. Es handelte sich um eine Schmiede. Ein anderes erinnerte eher an einen Felsüberhang, und unter dieser schützenden Wand stand ein einfacher Schrank mit Bögen, etlichen Köchern voller Pfeile und einem ganzen Stapel der Ashmadai-Zepter, die Speer und Stab zugleich waren.
»Das war der Todesring«, überlegte Dahlia und nickte dabei. »Sylora, oder vielleicht auch Valindra, hat einen Weg gefunden, seine Macht anzuzapfen.« Sie blickte zu den anderen beiden hinüber. »Das ist keine Kleinigkeit.«
Die zwei Männer sahen sie fragend an.
»Seit ich erwachsen bin, habe ich die meiste Zeit in Tay verbracht«, erklärte Dahlia. »Ich habe schon einen voll erblühten Todesring miterlebt, sogar mehrere. Unter uns, die Szass Tam dienten, war es kein Geheimnis, dass der Erzlich seine Macht vor allem daraus bezog, und diese Macht überstieg alles, was ihr je gesehen habt, das kann ich euch versichern.«
»Sie will uns Angst einjagen«, flüsterte Entreri Drizzt zu. »Bist du ganz sicher, dass sie wirklich mit uns gegen Sylora Salm antreten wird?«
Drizzts belustigtes Schnauben entwaffnete Dahlia und verhinderte damit die scharfe Bemerkung, die ihr auf der Zunge lag. Stattdessen kniff die Elfe ihre Augen noch mehr zusammen und ließ ihren Blick von Entreri zu Drizzt wandern. Wenn er unbedingt wollte, konnte gern auch er ihren Zorn auf sich ziehen.
»Wenn du dich fürchtest, dann geh bitte«, sagte sie.
»Ich habe in meinem langen Leben schon vieles erfahren«, erwiderte Entreri. »Aber Furcht gehörte wohl kaum dazu.«
»Bis jetzt«, sagte Dahlia.
»Einschließlich jetzt.«
»Dann bist du ein Narr«, erklärte Dahlia.
»Wenn du dich fürchtest, dann geh bitte«, entgegnete Entreri. »Ich für meinen Teil werde über diese Mauer klettern, Sylora Salm suchen und sie endlich erledigen.«
Er ging in die Hocke und schlich ein Stückchen weiter, um die Festung aus anderen Blickwinkeln zu beobachten. Dahlia wollte ihm folgen, aber Drizzt hielt sie zurück, bis Entreri ein Stück entfernt war.
»Er ist momentan nicht unser Feind«, versicherte der Drow.
»Woher weißt du das? Seid ihr etwa alte Freunde?«
Die Ironie dieser Aussage angesichts seiner turbulenten Vergangenheit mit Artemis Entreri, einem Mann, gegen den er gekämpft hatte, den er gejagt hatte und der ihn gejagt hatte – beide mit dem Vorsatz, den anderen zu töten –, verschlug Drizzt die Sprache.
Aber es gab auch andere Momente, an die sich Drizzt erinnerte, sobald er die Motive des Meuchelmörders in Zweifel zog. Als Drizzt und Entreri unter Mithril-Halle in der Falle gesessen hatten, ehe König Bruenor diesen Ort wieder für die Zwerge beansprucht und zivilisiert hatte, hatten sie Seite an Seite miteinander und füreinander gekämpft. Und als sie in Menzoberranzan von den Drow versklavt worden waren, hatten Drizzt, Entreri und Catti-brie ebenfalls Seite an Seite miteinander und füreinander eingestanden.
Artemis Entreri war gewalttätig und gewiss kein Freund von Drizzt Do’Urden, doch in erster Linie war er ein pragmatischer Überlebenskünstler. Er hatte Interesse an Sylora Salms Tod. Das glaubte Drizzt ihm, und deshalb zweifelte er nicht daran, dass Entreri in dieser Hinsicht mit ihm und Dahlia zusammenarbeiten würde. Hatte Entreri dies nicht bewiesen, als er Drizzt bei ihrem ersten Zusammentreffen überrumpelt und ihm nach seinem Überraschungsangriff sein Messer an die Kehle gesetzt hatte? Wenn Artemis Entreri Drizzt hätte töten wollen, dann wäre Drizzt damals gestorben.
Aber trotz dieses Augenblicks und trotz seiner Gefühlsanwandlungen noch vor dem weiteren Ausbau ihrer Allianz war Drizzt am Vortag mehr als
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