Niewinter 02 - Salvatore, R: Niewinter 02 - Neverwinter
selbst. Diesmal kicherte sie noch mehr.
Der Schädel war ihr Phylakterium, wohin ihre Seele sich vor der Gebrechlichkeit ihrer verwesenden sterblichen Hülle flüchten konnte. Sollte Valindras Körper etwas zustoßen, so konnte sie dort abwarten, bis sie einen neuen Körper fand.
Aber dieser besondere Stein war mehr als das. Er gehörte zu einem Paar zweier alter Artefakte und diente als mächtiger Kanal für magische Kräfte. Der zweite Stein beherbergte Arklem Greeth – ihren geliebten Arklem! –, doch Valindra wusste nicht, wo sich dieser Zwillingsstein mit Greeth befand.
Sie hatte versucht, ihn zu orten – das war der eigentliche Grund gewesen, weshalb sie Sylora diesen Schädelstein entwendet hatte. Sie hatte in das Phylakterium geschaut, und von dort aus hatte ihr Blick in der Fugue-Ebene, zwischen dem Land der Lebenden und der Toten, nach Greeth gesucht, doch statt seiner einen anderen mächtigen Untoten gefunden, der vor kurzem seinen Körper verloren hatte. Der Geist war schnell geflohen, nur fort von dieser Existenzebene und hin zu seiner gerechten Belohnung oder Bestrafung, aber Valindra hatte über den Edelstein noch schneller zugegriffen, den verängstigten Geist erhascht und ihm eine Heimat angeboten. Einen Ankerplatz. Das Phylakterium.
»Komm, mein Freund«, gebot Valindra und rieb den Schädelstein. »Komm, ich brauche dich. Ich weiß, ich weiß – Greeth, Greeth! –, dass du noch nicht lange aus dem Edelstein ausfliegen kannst, aber es dürfte lange genug sein.«
Nichts geschah.
»Komm schon, oder ich gehe rein und hole dich«, warnte der Lich mit plötzlich boshafter Stimme.
Die Augenhöhlen des Schädelsteins leuchteten feurigrot auf. Ein kalter Windstoß drang aus dem Skelettmund.
In der Luft vor Valindra schimmerte ein Geist, ein erbärmliches Wesen voller Angst und Wut – hilfloser Wut, denn er war nur ein substanzloser Geist, und böswilliges, aber kraftloses Zornesflüstern war zu hören.
»Korvin Dor’crae!«, keckerte Valindra höhnisch. »Oh, du musst mir helfen!«
Warum sollte ich?, erklang die körperlose Stimme des Vampirs in Valindras Gedanken.
»Weil ich dir dann mehr von der Macht des Schädelsteins gewähre«, lockte Valindra. »Und damit kannst du von einem anderen Besitz ergreifen, einen Körper erobern und deiner … Energie wieder Gestalt verleihen.«
Der Geist des Vampirs antwortete nicht mit Worten, aber Valindra fühlte sein Verlangen, seine Verzweiflung. Sie verstand, dass Dor’crae seine gerechte Strafe gesehen hatte und offenbar alles tun würde, um dieses endgültige Schicksal zu vermeiden.
»Du bist meine Augen im Wind«, erklärte Valindra. »Szass Tam verlangt eine Katastrophe von mir, also muss ich ihm eine liefern. Geh noch einmal nach Gauntlgrym und bringe mir Nachricht vom Urelementar.«
Das ist ein weiter Weg. Ich habe nicht viel Zeit.
»Du reist mit dem Wind«, lachte Valindra. »Geh! Und kehre wieder! Und dann trage ich dir noch mehr auf. Ich muss mehr wissen! Greeth! Greeth! Ach, was war ich für ein böses Mädchen! Es muss getötet werden, so viel! Ich muss mehr über die erfahren, die ringsherum leben, damit ich die Katastrophe einleiten kann, und du bist meine Augen.«
Abrupt brach sie ab und warf einen neugierigen Blick auf den Schädelstein. Valindra sah sich nach allen Seiten um. Erst nach einigen Augenblicken wurde ihr bewusst, dass Dor’crae bereits verschwunden war.
Gut, dachte sie.
»Was bedeutet das?«, fragte Jestry Sylora unter vier Augen, keinen Zehntag nach ihrer Begegnung mit Szass Tam. In der Nähe standen einige Ashmadai, die sich angeregt über ihre Aufgabe unterhielten.
»Valindra will Szass Tam zufriedenstellen, und wir werden ihr gestatten, alles Nötige dafür zu tun.«
»Warum vertraust du dem irren Lich?«, wollte Jestry wissen, der bei jedem seiner Worte den Kopf schüttelte. Offenbar widerstrebte ihm sogar die Erwähnung von Valindra Schattenmantel.
»Hast du den Besuch von Szass Tam vergessen?«, entgegnete Sylora sarkastisch.
»Nein, aber …«
»Und dass Valindra seinen Zorn von uns abgezogen und auf sich gelenkt hat?«
»Du glaubst, das hat sie uns zuliebe getan?«, erwiderte Jestry.
Sylora machte ein verwundertes Gesicht, als läge diese Antwort auf der Hand.
»Ich glaube, sie ist einfach wahnsinnig«, beharrte Jestry.
Einen Moment lang schien Sylora drauf und dran zu sein, ihn mit einem Blitzschlag oder einem anderen mächtigen Zauber niederzustrecken.
Jestry schluckte. Ihm wurde bewusst,
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