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Niewinter 4: Die letzte Grenze

Niewinter 4: Die letzte Grenze

Titel: Niewinter 4: Die letzte Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R.A. Salvatore
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die Verletzungen. Solche Wunden hatte Drizzt schon oft gesehen, denn er war viele Jahrzehnte mit einem derartigen Kämpfer unterwegs gewesen.
    »Ein Schlachtenwüter«, flüsterte er verwundert.
    »Nein«, sagte Dahlia. »Ich kenne derartige Zahnspuren …« Aber ihre Stimme wurde leiser, als sie zu ihm trat und ebenfalls die ganz anders geartete Szene sah, die sich in diesem Teil des Lagers darbot.
    »Ein Vampir«, wiederholte sie.
    »Ein Schlachtenwüter«, entgegnete Drizzt.
    »Musst du mir immer widersprechen?« Ihre Frage war scherzhaft gestellt, aber Drizzt nahm den verärgerten Unterton wahr. Wie oft hatte er sich in letzter Zeit in Dahlias Stimme geschlichen?
    »Nur wenn du falsch liegst.« Er bedachte sie mit einem entwaffnenden Lächeln – und merkte dabei, dass dies wohl die erste unbekümmerte Geste gegenüber Dahlia war, seit sie Gauntlgrym entronnen waren. Oder eher seit er Zeuge des leidenschaftlichen Kusses von Dahlia und Entreri geworden war. »Das kommt dir natürlich wie immer vor«, neckte er sie, um seine eigene negative Einstellung und Eifersucht zu überwinden.
    Dahlia neigte den Kopf zur Seite. »Hast du endlich aufgehört zu schmollen?«, fragte sie.
    Ihre Frage brachte Drizzt kurz durcheinander, denn ihm kam es eher so vor, als würde Dahlia ihre eigene schlechte Laune auf ihn projizieren. Aber vielleicht gab sie auf diese Weise auch zu, dass ihr eigenes Schmollen – oder die Trauer, der Schock oder was auch immer – enden musste.
    Doch ihre Frage berührte bei Drizzt eine weit tiefere Ebene, und das hatte Dahlia gewiss nicht beabsichtigt. Denn Drizzt konnte nicht bestreiten, dass sie richtiglag.
    Dahlia war für ihn ein einziger Widerspruch. Offenbar konnte sie seine Emotionen nach Lust und Laune lenken, so leichthin, wie sie ihre Haartracht änderte. Bei Entreri hingegen verfingen derartige Tricks einfach nicht. Weil Artemis Entreri sie kannte oder etwas von ihr wusste, das über ihre Frisuren, die zarte Haut, die Tätowierungen und die Kleiderfrage hinausging. Sie hatte sich Drizzt nackt gezeigt, aber vor Entreri hatte sie ihre wahren Gefühle entblößt, selbst das zentrale Problem, das ihr so zu schaffen machte.
    Drizzt hatte nur einen kurzen Blick darauf erhascht. Er hatte den verkrüppelten jungen Tieflinghexer, Effron, gesehen und Dahlias Reaktion auf diese Kreatur miterlebt.
    »Und was ist mit dir?«, erwiderte Drizzt. »Du hast auch nicht viel gesagt, seit wir Gauntlgrym verlassen haben.«
    »Vielleicht habe ich nichts zu sagen.« Dahlia klappte den Mund zu, als hätte sie Angst vor dem, was sie preisgeben könnte, wenn ihre Disziplin auch nur im Mindesten nachließ. »Ich habe die Ohren«, bemerkte sie und verließ das Lager.
    Er folgte ihr zurück in den Wald, doch diesmal lief er langsam und tief geduckt, denn er prüfte den Weg auf abgebrochene Halme oder Fußabdrücke. Dahlia marschierte lange voran, bis sie schließlich eine sonnige Lichtung erreichte, auf der sich ein einzelner, halb versunkener Stein als Sitzplatz anbot.
    Dort machte sie es sich bequem, nahm den Hut ab, fuhr sich mit den Fingern durch die Haare und ließ die Sonnenstrahlen auf ihr Gesicht fallen.
    »Komm mit«, bat er. »Wir müssen herausfinden, wer oder was diese Goblins getötet hat. Immerhin bist du der Ansicht, dass hier ein Vampir unterwegs ist.«
    Dahlia zuckte mit den Schultern, um ihr Desinteresse zu zeigen.
    »Oder ein Schlachtenwüter«, fuhr Drizzt hartnäckig fort. »Wenn ja, täten wir gut daran, ihn zu finden. Er wäre ein mächtiger Verbündeter.«
    »Das dachte ich von meinem Vampirschätzchen auch«, sagte Dahlia. Dass Drizzt bei dieser Bemerkung das Gesicht verzog, schien ihr eine gewisse Genugtuung zu bereiten.
    »Wollen wir nicht endlich darüber sprechen, was in Gauntlgrym passiert ist?«, fragte Drizzt unvermittelt. »Der verkrüppelte Tiefling hat dich eine Mörderin genannt.«
    Dahlias Gesicht verhärtete sich sofort, und sie bedachte ihn mit einem zornigen Blick.
    Als Drizzt sich neben sie setzte, schluckte sie hörbar, ließ ihn aber nicht aus den Augen.
    »Er hat behauptet, Alegni wäre sein Vater«, schob Drizzt nach.
    »Sei still«, warnte ihn Dahlia.
    »Und du seine Mutter.«
    Ihre Augen durchbohrten ihn. Drizzt rechnete bereits damit, dass sie ihm das Gesicht zerkratzen oder in eine wütende Schimpftirade verfallen würde.
    Aber sie tat nichts dergleichen, was vielleicht noch beunruhigender war. Dahlia saß einfach nur da und starrte vor sich hin. Eine Wolke, die sich

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