Niewinter 4: Die letzte Grenze
bloß nicht wieder mit so einem Afafrenfere-Auftritt!«, warnte die Zwergin. »Dafür habe ich keine Zeit!«
Der Mönch sah sie wieder an. Jetzt machte er ein noch böseres Gesicht.
»Na schön!«, brüllte die Zwergin und stampfte auf das Pflaster. »Du willst ein Tor ins Schattenreich. Ich mach dir eins, und dann hast du deinen Willen, und ich habe dein Wort, dass du mich nicht an Cavus Dun oder sonst wen verrätst.«
Damit hatte Afafrenfere offenbar nicht gerechnet. »Du schickst mich zurück?«, fragte er verdattert.
»Hört sich auch nicht verlockend an, wie?«, entgegnete die Zwergin. »Jetzt, wo dein Parbid tot ist, kannst du wohl kaum noch auf eine Grauhaut zählen, Mensch.«
Afafrenfere schluckte.
»Du hast sowieso nie dorthingehört«, sagte Ambergris leise. »Mich kannst du belügen, aber dich selbst nicht. Das ist nämlich deutlich schwerer. Du wolltest nie wirklich ins Schattenreich. Du hast auch nie ernsthaft zu denen gehört, und deine Haut gefällt dir hell besser als dunkel.«
»Du bist dir deiner Sache ja sehr sicher.«
»Sei froh darüber, denn sonst hätte ich dich dem Urelementar in den Rachen geworfen, gleich nach Glorfathel«, erwiderte Ambergris. Jetzt grinste sie breit, denn sie wusste, dass sie gewonnen hatte. Sie hatte richtig geraten. Trotz all ihres großspurigen Gehabes mochte Ambergris diesen Mönch mit seinem Umhergehüpfe und seiner dramatischen Ader. Was auch immer ihn zu seinem Schritt verleitet hatte, Liebe, Leidenschaft oder Verwirrung, Afafrenfere war kein schlechter Kerl. Er war zu einer schlechten Tat fähig, wenn es sein musste, aber wer unter den Schurken und Mordgesellen von Cavus Dun überleben wollte, hatte kaum eine andere Wahl.
»Ich wünschte, du hättest es getan«, erhob sich eine dritte Stimme. Die beiden drehten sich um und sahen Artemis Entreri näher treten.
»Du hast unser Gespräch belauscht?«, fuhr Afafrenfere auf.
»Halt den Mund«, sagte der Meuchelmörder. »Wahrscheinlich hat die halbe verdammte Stadt euch zugehört, und ich wäre euch dankbar, wenn ihr solche Dinge künftig unter vier Augen klären könntet. Ich hege nicht den Wunsch, die Bewohner von Niewinter daran zu erinnern, wo ich herkomme.«
»Wie dankbar?«, fragte die Zwergin, die sich schon die Hände rieb.
»Dankbar genug, um euch am Leben zu lassen«, antwortete Entreri.
Das war vielleicht ein Scherz.
Vielleicht.
»Wo ist Drizzt?«, fragte Entreri.
»Der ist heute Morgen mit Dahlia aufgebrochen«, sagte Amber.
»Wohin?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Zum Abendessen wollte er zurück sein.«
Entreri blickte zum Himmel, wo sich die Sonne dem Höchststand näherte. Dann schaute er zum Hafen. Kurz hinter der Stelle, an der der Fluss die Schwertküste erreichte, schaukelten mehrere große Schiffe.
»Du verlässt uns also?«, fragte die Zwergin.
»Dann mal eine gute Reise«, fügte Afafrenfere halb sarkastisch, halb hoffnungsvoll hinzu.
Entreri bedachte den Mönch mit dem einschüchternden Blick, auf den hin schon so viele potenzielle Gegner eilends das Weite gesucht hatten.
Bruder Afafrenfere zuckte allerdings nicht mit der Wimper, sondern reagierte ähnlich entschlossen.
Ein boshaftes Lächeln erschien auf Entreris Gesicht.
»He, haben wir nicht schon genug Feinde?«, mischte sich Amber ein, aber die beiden starrten einander weiter an und lächelten dabei.
»Sagt Drizzt, er kann mich gerne suchen, wenn er wiederkommt«, wies Entreri sie an. »Vielleicht bin ich dann noch in der Stadt, vielleicht auch nicht.«
»Und wenn du nicht in Niewinter bist, wo bist du dann?«, fragte Ambergris.
»Wenn dich das etwas anginge, wüsstest du es bereits«, sagte Artemis Entreri, drehte sich um und ging davon.
Drizzt hielt etwas Abstand zu Dahlia, während sie tiefer in den Wald vordrangen. Er war immer noch aufgewühlt von ihrem Gespräch. Dahlia hingegen hatte es eilig. Sie wollte endlich einen greifbaren Feind finden, an dem sie ihre Wut auslassen konnte. Sie warf keinen Blick nach hinten, wie Drizzt bemerkte, und ihm wurde klar, dass sie keine Lust hatte, ihn den Schorf von ihrer Narbe kratzen zu lassen. Dass er Effron erwähnt hatte, den verkrüppelten Tiefling, hatte sie schwer getroffen. Er hatte ihr diese Geschichte abgerungen, aber vielleicht war sie noch nicht so weit gewesen, das alles zu offenbaren.
Schlimmer wäre, wenn Dahlia womöglich etwas brauchte, von dem er nicht wusste, wie er es ihr geben könnte.
Seit Bruenors Tod hatte Drizzt sich nicht mehr derart allein
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