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Niewinter 4: Die letzte Grenze

Niewinter 4: Die letzte Grenze

Titel: Niewinter 4: Die letzte Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R.A. Salvatore
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vor die Sonne schob, warf einen Schatten auf ihr hübsches Gesicht.
    »Das ist natürlich unmöglich oder zumindest kaum denkbar«, fügte Drizzt leise hinzu, um ihr nicht zu nahe zu treten.
    Dahlia hielt absolut still. Er konnte beinahe ihr Herz pochen hören – oder war es sein eigenes? Die Augenblicke verstrichen, bis Drizzt sein Zeitgefühl verlor.
    »Es ist wahr«, gab sie zu, und diesmal war Drizzt derjenige, der aussah, als hätte man ihn geohrfeigt.
    »Das kann nicht sein«, presste er schließlich hervor. »Er ist noch jung, aber auch du bist eine junge Frau …«
    »Als der Schatten von Erzgo Alegni über meinen Clan fiel, war ich kaum mehr als ein Kind«, murmelte Dahlia so leise, dass Drizzt ihre Worte kaum hören konnte. »Es ist zwanzig Jahre her.«
    Drizzts Gedanken drehten sich im Kreis, kamen jedoch sehr leicht zu der bestürzenden Schlussfolgerung, die sich aus Dahlias Worten ergab. Er wollte etwas erwidern, aber angesichts dieser Ungeheuerlichkeit, die ihm derart zuwider war, geriet er hilflos ins Stottern. Er dachte an seine eigene Jugend und den Abschluss in Melee Magthere, bei dem seine eigene Schwester sich ihm so lüstern genähert hatte, dass er vor Abscheu davongerannt war.
    Am liebsten hätte er Dahlia davon erzählt, um ihr zu zeigen, dass ihr Schmerz ihm nicht völlig fremd war, doch dann wurde ihm klar, dass seine eigene Erfahrung vor dem, was sie durchgemacht hatte, einfach verblasste.
    Deshalb brachte er kein zusammenhängendes Wort heraus, sondern zog sie schließlich einfach an sich.
    Sie sträubte sich, doch sie zitterte dabei. Die Tränen, die aus ihren blauen Augen rannen, zeugten von abgrundtiefer Traurigkeit, das wusste er, auch wenn Dahlia dabei knurrte, um ihre Schwäche zu überspielen.
    Leugnen half nichts, und auch Ärger konnte die Narbe nicht verdecken.
    Drizzt wollte sie fest in die Arme schließen, aber sie riss sich los, sprang auf, entfernte sich ein Stück und wandte ihm den Rücken zu.
    »Jetzt weißt du es also«, sagte sie mit Eiseskälte in der Stimme.
    »Dahlia!«, flehte er, erhob sich und ging ihr nach. Sollte er zu ihr laufen, sie festhalten und an sich drücken, ihr zuflüstern, dass sie dem Schmerz seinen Lauf lassen durfte? Wollte sie das überhaupt? Sie machte nicht den Eindruck, aber andererseits hatte sie sich von Entreri küssen lassen …
    Diesmal knurrte Drizzt selbst, um die absurde Eifersucht abzuschütteln. Hier ging es nicht um ihn, um seine Beziehung zu Dahlia oder das, was sie mit Entreri verband. Jetzt ging es um Dahlia und ihr unvorstellbares Leid.
    Er wusste nicht, was er sagen oder tun sollte. Er fühlte sich wie ein Kind. Der Dunkelelf war an einem Ort aufgewachsen, an dem der Alltag von Betrug, Mord und Verrat geprägt war, in der vielleicht abscheulichsten Stadt der Welt. Deshalb hatte er geglaubt, gegen die Wunden der Verdorbenheit und Unmenschlichkeit inzwischen immun zu sein. Er war Drizzt Do’Urden, der Held des Eiswindtals, der Held von Mithril-Halle, der tausend Kämpfe durchgestanden und tausend Feinde getötet hatte, der seine besten Freunde hatte sterben sehen. Er hatte geliebt, und er kannte den Verlust. Immer besonnen und gegenüber der Realität abgehärtet …
    Daran hatte er geglaubt.
    Und damit hatte er sich selbst belogen.
    Die Gefühle, die in Dahlia tobten, waren für ihn in diesem besonderen Augenblick nicht nachvollziehbar. Es war in Schwärze gehülltes Schwarz, nicht wiedergutzumachen und jenseits allen Trostes, den Drizzt während seiner eigenen, weniger komplizierten Erlebnisse gefunden hatte. Dahlia war bis ins Innerste verletzt, schlimmer als durch jeden Schwertstreich, und das konnte Drizzt nicht nachempfinden, denn es überstieg sein Begreifen.
    »Komm«, forderte Dahlia ihn mit fester Stimme auf. »Lass uns den Mörder suchen.« Sie schritt in den Wald hinein.
    Drizzt sah überrascht zu, bis ihm aufging, dass sie jetzt auf die Jagd wollte, allein schon, um einen Feind bekämpfen zu dürfen. Die Gefühle, die Drizzt aufgerührt hatte, gingen zu tief. Weder seine zögerliche Umarmung noch seine ungeschickten Worte konnten ihr Trost spenden, und deshalb musste sie jetzt jemanden oder etwas umbringen.
    Er hatte seinen Moment nicht genutzt, begriff Drizzt. Er hatte sie im Stich gelassen.
    Der Mönch stand auf dem Marktplatz von Niewinter und starrte auf seine Hände, die er vor seinen Augen drehte.
    »Ist das eine Kampftechnik?«, fragte Ambergris.
    »Ich suche nach Resten von dem Schattenzeug«, antwortete

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