Niewinter 4: Die letzte Grenze
Tür des Raums auf, und ein furchterregender Zwerg mit schwarzem Bart stürmte herein. Auf seinem Rücken hingen gekreuzt zwei Morgensterne aus Adamant, deren schwere Kugeln um seine Schultern wippten.
»Alles klar«, sagte der Zwerg. »Die Dunkelelfen sind abgezogen.«
»Der Weg nach Illusk ist frei?«
Der Zwerg nickte. »Na, dann komm, meine Hübsche«, sagte er zu Ambergris. »Bringen wir dich in Sicherheit.«
»Allerdings«, stimmte Jarlaxle zu. »An einen sicheren Ort, wo du mir deine Geschichte erzählen kannst.«
Ambergris starrte ihn misstrauisch an.
»Das wirst du«, versicherte ihr Jarlaxle drohend, wobei jede Silbe und Betonung beherrscht und voller Selbstvertrauen waren. »So oder so.«
Ambergris schluckte, setzte aber doch ihren Streitkolben ab. Dieser Kerl – oder diese beiden – hatte ihr das Leben gerettet, und schon jetzt war ihr klar, dass es nicht besonders klug wäre, hier einen Kampf vom Zaun zu brechen.
Bald darauf hatten sie die Stadt verlassen und waren auf dem Weg in den gespenstischen Bereich von Luskan, das alte Illusk. Oberirdisch ähnelte es einem alten, zerfallenen Friedhof, aber in den Gräbern gab es geheime Tunnel, die in die Katakomben der Stadt führten, von denen kaum jemand wusste. Bregan D’aerthe hatte diesen Ort vor einiger Zeit in Besitz genommen und hier einen Schlupfwinkel eingerichtet.
»Keine Sorge«, brummte der grobschlächtige Zwerg etwas später, als sie durch die Gänge liefen, wo die Zwergin von neugierigen Dunkelelfen beäugt wurde. »Du bist jetzt bei Jarlaxle. Keiner wird dir was tun.«
»Wer sagt das?«, fragte Ambergris auffordernd.
»Athrogate von Adbar, zu Diensten, meine Hübsche«, sagte er mit einer angedeuteten Verneigung.
»Adbar?«
»Lange her«, erklärte Athrogate. »Lange vor deiner Geburt. Ich erzähl dir davon, wenn du willst, aber das hat Zeit, bis Jarlaxle mit dir fertig ist.«
»Wenn ich dann noch am Leben bin, meinst du.«
»Oh, leben wirst du, keine Bange, bruhahahaha!«, grölte Athrogate. »Jarlaxle ist ein übler Feind, aber er ist kein übler Freund, und Drizzt und Entreri hat er über hundert Jahre zu seinen Freunden gezählt.«
»Er sagte, Entreri wollte ihn töten.«
»Ach was, alles ein Missverständnis«, erwiderte der Zwerg.
Sie gelangten in ein luxuriöses Zimmer mit dicken Kissen, einem Kamin und einem großen Tisch mit Sesseln. Jarlaxle wartete, bis die Zwerge an ihm vorbeigegangen waren, dann schloss er die Tür.
»Jede Einzelheit«, forderte er Ambergris auf. »Und als Erstes verrätst du mir, was ihr überhaupt im Schattenreich zu suchen hattet.«
»Die Katze.«
»Die Katze?«
»Und du willst ein Freund von Drizzt sein?«, fragte Ambergris argwöhnisch.
»Ach, Guenhwyvar«, erwiderte Jarlaxle wissend. Dann aber schüttelte er den Kopf, als würde er kein Wort verstehen – was auch stimmte. »Ihr seid alle fünf losgezogen …«
»Sechs«, unterbrach ihn Ambergris. »Effron der Tiefling hat uns geführt. Er hat uns auch verraten, dass Fürst Draygo Drizzts Katze hat.«
Jarlaxle riss die Augen auf, und Ambergris verstand, dass ihm bei dieser Bemerkung ein Licht aufging, auch wenn sie nicht wusste, was ihm diese Information bedeutete.
Sie holte tief Luft und kam ohne Umschweife zur Sache. »Sie haben dem Monster in die Augen gesehen«, erklärte sie, um dann in allen Einzelheiten zu berichten, was sich an jenem Tag im Schattenreich zugetragen hatte. Sie sah, wie dieser ungewöhnliche Drow zusammenzuckte, als sie ihm von der Medusa und dem Schicksal ihrer drei Begleiter berichtete, insbesondere dem von Artemis Entreri. Jarlaxles Trauer schien wirklich aufrichtig zu sein.
»Und was ist mit Drizzt und diesem jungen Tiefling, Effron?«, fragte Jarlaxle, als sie fertig war. Er hatte eine Weile gebraucht, um die Fassung wiederzugewinnen. »Sie sind durch eine Falltür gestürzt. Und dann?«
Ambergris zuckte mit den Schultern. »Außer Sicht, und ich rannte um mein Leben.«
»Aber hast du noch etwas von ihnen gehört? Haben sie da unten geschrien?«
»Davon habe ich nichts gehört, aber der Kampf war voll im Gange, also hätte ich auch nichts gehört, wenn sie direkt unter mir geschrien hätten. Ist aber auch ohne Bedeutung«, fügte sie hinzu und schüttelte den Kopf. »Mit Fürst Draygo ist nicht zu spaßen. Von dem habe ich in meiner Zeit bei Cavus Dun …« Das war ihr einfach so herausgerutscht, und sie bemerkte, wie fasziniert der gutaussehende Drow reagierte.
»Davon wirst du mir auch noch
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