Niewinter 4: Die letzte Grenze
findest du deine Antworten leichter«, fuhr Jarlaxle fort. »Und wenn Drizzt tatsächlich von dem einen oder anderen Gott bevorzugt wird, welchen Sinn hätte es dann, ihn gefangen zu halten?«
»Du nimmst dir einiges heraus«, sagte Draygo Quick. Diesen Satz hatte er Jarlaxle mittlerweile mehrfach an den Kopf geworfen, und in all den Stunden, die sie miteinander verbracht hatten, hatte der Nesser-Fürst nie zugegeben, dass Drizzt sich in der Burg befand.
Aber Jarlaxle wusste mehr, denn Kimmuriel hatte Drizzt und auch den jungen Tiefling-Hexer gefunden. Sie waren in getrennten Räumen im Westflügel der Burg eingeschlossen. Die anderen standen als Statuen nicht weit von Jarlaxle entfernt.
»Sollte ich mich jedoch irren, dann …«, fuhr Jarlaxle fort.
»Und du irritierst mich ganz erheblich«, fuhr Draygo Quick fort. »Geh deiner Wege, Jarlaxle, bevor ich in Versuchung gerate, Fürst Ulfbinder die Aufhebung unserer Abmachung nahezulegen. Komm nicht wieder, ohne dass ich dich einlade oder deinen Wunsch, mich zu besuchen, ausdrücklich akzeptiere. Wenn du mich jetzt bitte entschuldigst – ich habe viel zu tun.«
Jarlaxle verbeugte sich tief. Draygo Quick reagierte nur mit einem knappen Nicken und stolzierte zu der Tür, die ihn in den Turm und zu seinen Privatgemächern führen würde. Jarlaxle sah ihm nach. Dann warf er einen Blick auf die Treppe, die sich im hinteren Bereich des Saals zwanzig Fuß nach oben schwang, um sich dann hinter den reich verzierten Geländern nach links und rechts zu teilen.
Dort oben standen mehrere Shadovar-Wachen, die ihn beobachteten, unter ihnen einer mit Taulmaril und ein anderer auf dem obersten Treppenabsatz, der Drizzts Krummsäbel an der Hüfte trug.
Er verspottet mich, dachte Jarlaxle und spürte Kimmuriels Unbehagen so deutlich, als würde der Psioniker stöhnend neben ihm stehen. Sagt mir, wann, bat Jarlaxle, als Draygo Quick den Raum verließ.
Es stehen Wachen an der Tür, und draußen warten noch mehr, warnte Kimmuriel stumm.
Jarlaxle verbeugte sich vor den strengen Wachen auf dem Balkon und schwenkte freundlich seinen Hut.
Tötet nicht den Fürsten, rief Kimmuriel telepathisch.
Dann sorgt dafür, dass meine Eröffnung gelingt, erwiderte Jarlaxle.
»Ich werde nicht die Tür nehmen«, kündigte Jarlaxle den Wachen an, als er sich umdrehte, als ob er die Burg verlassen wollte. »Ich habe mein eigenes Tor.«
»Verschwinde einfach, wie Fürst Draygo es befohlen hat«, rief der Hauptmann von oben herunter. Es war der Mann, der Drizzts Säbel trug.
Jarlaxle lächelte und zog sein tragbares Loch heraus, setzte den Hut auf seinen kahlen Kopf und warf das wirbelnde, sich ausdehnende Loch in die Richtung der Wachen am Ausgang. Die beiden rissen die Augen auf und warfen sich erschrocken zur Seite, aber das Loch senkte sich nur kurz vor ihnen auf den Boden, ohne Schlimmeres anzurichten, und erschien nun bloß noch wie ein echtes Loch im Boden des Saals.
Nachdem alle erfolgreich abgelenkt waren, zog Jarlaxle einen kleinen Würfel aus der Tasche und erinnerte sich daran, welche Qualen ihm sein Bruder Gromph angedroht hatte, falls er dieses Kleinod beschädigte.
Draygo steigt gerade in den Turm hinauf, teilte Kimmuriel ihm mit.
Jarlaxle grinste bereits, weil die Posten an der Tür sich über das Loch beugten. Sie mussten unbedingt hinunterspähen. Der Drow warf den Würfel zu der Tür, durch die Draygo Quick verschwunden war, und wandte sich wieder den Wachen auf dem Balkon zu.
»Mit Abakus und Architekt, mit Zimmerer und Steinmetz«, rezitierte er, schwenkte theatralisch den Arm und tippte dabei an das Zeichen seines Hauses, um einen Levitationszauber auszulösen und sich vorsichtshalber über den Boden zu erheben. Dann deklamierte er den ganzen Vers.
»Mit Handwerkszeug und Wissen um das Bauen,
Zu schützen, was du liebst, Familie, Herd und Heim,
Wem würdest du beim Festungsbau vertrauen?«
Mach schon, du eitler Pfau!, schrie Kimmuriel in seinen Gedanken, was Jarlaxle nur umso breiter lächeln ließ.
»Drum schlag ich vor, dies alles zu krönen
Durch Rechnen und Messen, die Regeln des Schönen,
Den Klügsten nur bliebe vorbehalten,
Was Narren sonst so leicht verhöhnen.
Ein Schloss und Wärme, ein wahres Zuhause,
Denn wenn man wahrlich wünscht ein Heim,
Dann lässt der Weise sich verwöhnen,
Von dem, der sich darauf macht einen Reim.«
»Was ist denn das für ein Unsinn?«, fragte der Hauptmann der Wache auf der Treppe.
»Unsinn?«, wiederholte Jarlaxle
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