Niewinter 4: Die letzte Grenze
verletzt. »Mein lieber Freund, das ist nichts dergleichen.« Ein erschrockener Aufschrei von hinten verriet Jarlaxle, dass die Wachen an der Tür nun tatsächlich nach unten geblickt hatten. »Nein, das … das hier ist Caer Gromph! «
Diese beiden letzten Worte seiner Anrufung hatten einen ganz anderen Klang als die spielerischen Reime des Söldners, denn sie richteten sich nicht an die Zuhörer, sondern an den magischen Würfel, den Jarlaxle geworfen hatte. Als dieser die auslösenden Worte nach dem Vers vernahm, erwachte er. Der Boden begann zu beben, was dem schwebenden Jarlaxle natürlich nichts ausmachte, und Burg Draygo erzitterte, als Caer Gromphs Wurzeln sich in den Boden gruben, weil der Würfel sich in einen Turm aus Adamant verwandelte, der den Stalagmitentürmen der Drow-Häuser von Menzoberranzan ähnelte.
Er wuchs in die Höhe, wurde dicker, brach den Boden auf und untergrub mit seinen Wurzeln die Fundamente von Burg Draygo, sprengte dessen Mauern und schob sich unter den Balkon, während seine unnachgiebigen Wände sich dehnten und die Adamantspitze fast dreißig Fuß über dem Boden die Decke des großen Saals durchbohrte. Unter der Wucht der magischen Schöpfung verloren die Shadovar-Wachen das Gleichgewicht und kamen zu Fall. Einer der beiden, die über den Rand des tragbaren Lochs gespäht hatten, fiel hinein, der andere folgte bald, als ein Tentakel wie von einer Yochlol herauflangte und nachhalf. Dem Aufschrei der Wache folgte ein herzhaftes »Bruhaha!« der angeblichen Zofe.
Caer Gromph war überwältigend schön. Mit seinen Balkonen und der Wendeltreppe, die von oben nach unten durch das ganze Gebäude verlief und von rotem, blauem und lila Feenfeuer akzentuiert wurde, wirkte er mehr wie ein abstraktes Kunstwerk als wie ein Belagerungsturm. Und doch war er eine Festung mit Schießscharten und einem magischen Tor darin, und in dem Moment, da er sich ausdehnte, strömten aus dem magischen Tor die Schützen von Bregan D’aerthe auf ihre sicheren Posten. Bevor die vielen Shadovar auch nur begriffen hatten, woher das Erdbeben stammte, rasten aus den Schießscharten die mit tückischem Drow-Gift überzogenen Bolzen der Armbrüste.
Der Einzige, den weder das Erdbeben noch die Geschosse erwischt hatten, war der Mann mit Taulmaril, der so, wie der Balkon sich verzogen hatte, recht gut vor den Drow-Schützen verborgen war. Nachdem er wieder sicheren Stand hatte, zielte er mit dem mächtigen Bogen genau auf Jarlaxle, der nach wie vor dort unten schwebte und den Schwertkämpfer auf der jetzt geneigten Treppe beobachtete.
Er würde den Zauberpfeil nicht kommen sehen, das wusste der Schütze, und er ließ die Sehne los, um Jarlaxle den Pfeil in die Brust zu jagen.
Draygo Quick reagierte erbost, als er auf der Treppe zu seinem privaten Turm nach hinten taumelte. Aber er hatte sich schnell gefangen, obwohl er oben Türen aufspringen und seine Lehrlinge rufen hörte. Sie näherten sich rasch.
»Fürst Draygo, was ist das?«, rief einer, der über ihm um die Ecke gelaufen kam.
Ja, was war das?, fragte sich auch Draygo Quick. Was hatte dieser verfluchte Drow ihm angetan? Ihm und seiner Burg?
Der alte Hexer machte kehrt und rannte mit einer für sein Alter verblüffenden Energie eilends wieder zurück. Doch als er am Fuß der Treppe durch die Tür ins Vorzimmer stürmte, traf er auf einen weiteren Akolythen, der ihm mit kalkweißem Gesicht und weit aufgerissenen Augen entgegenkam.
»Ein … ein Turm, Meister!«, schrie der Mann.
»Der Turm?«, fragte Draygo und blickte über die Schulter.
Der Akolyth schüttelte hektisch den Kopf. »Ein Turm«, stellte er richtig und verschwand durch die andere Tür, womit Draygo einen Blick auf die schwarzen Adamantmauern von Caer Gromph werfen konnte.
»Bei den Göttern«, flüsterte Draygo Quick. »Eine Invasion.«
Er rief seine Schüler zusammen und forderte sie auf, sich um die Treppe zu formieren und den Turm mit ihrem Leben zu verteidigen. Dann stürmte er noch einmal die Treppe hinauf bis in sein Zimmer, um auf diese Kriegserklärung zu reagieren. Als er das hinterste Zimmer erreichte, blieb er vor Schreck wie angewurzelt stehen.
Denn neben dem Podest mit dem Käfig von Guenhwyvar warteten zwei absolut unerwartete und unangekündigte Besucher: große Zweibeiner mit nur drei Fingern an jeder Hand und zwiebelförmigen hässlichen Köpfen, die an einen Oktopus erinnerten.
Der eine wandte sich ihm zu, wackelte mit den Tentakeln und schwenkte die Arme. Ein
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