Night Academy 2
euch auch noch schnappen.« Er zeigte zum Lager, wo mittlerweile ein regelrechtes Chaos ausgebrochen war. »Ich habe andere Probleme, um die ich mich kümmern muss. Ende der Durchsage.«
Verstohlen sah ich Trevor an. Seine versteinerten Züge und die sensationell hellblauen Augen verrieten nicht, was er dachte. Aber er fuhr sich immer wieder mit der Hand über das kurzgeschorene Haar. Das tat er eigentlich nur, wenn er aufgebracht oder sauer war. Sicher war er ebenso besorgt wie ich – schließlich war Cam sein bester Freund. Konnten wir ihn wirklich im Stich lassen?
Ich öffnete den Mund, um zu widersprechen; in diesem Moment verlagerte Trevor sein Gewicht und trat mir unauffällig auf den Fuß. Mr Judan schien nichts zu bemerken.
Doch ich verstand den Wink und klappte den Mund wieder zu.
»Selbstverständlich«, sagte Trevor gehorsam. »Wir werden gleich mit Mrs Callias sprechen.«
Mr Judan schlüpfte in seine Schuhe und trabte hinüber zur Plane, wo unsere Ausrüstung lagerte.
Trevor und ich wandten uns in die entgegengesetzte Richtung. Sobald wir außer Hörweite waren, flüsterte er: »Lass dich nie auf eine Diskussion mit Judan ein. Da hast du keine Schnitte. Und am Ende glaubst du noch, er hätte von Anfang an recht gehabt.«
Er preschte vor, und ich musste mich beeilen, mit ihm Schritt zu halten.
»Trevor, ich muss dir unbedingt was sagen«, setzte ich an.
Er schüttelte den Kopf. »Erst müssen wir Mrs Callias finden, dann reden wir.«
Mrs Callias trieb die Schüler zu kleinen Gruppen zusammen und brüllte einigen in der Nähe stehenden Elftklässlern Kommandos zu. Etliche Schüler hatten sich um die Zelte geschart, auf die Bäume gefallen waren und aus denen Hilferufe zu hören waren. Nervös und mit bleichen Gesichtern standen alle unschlüssig davor.
»Hol das Notfunkgerät«, sagte Mrs Callias zu Molly. Ihr Gesicht war zerknittert und die Augen geschwollen; das Haar, das sonst in einem strengen Knoten auf dem Hinterkopf thronte, fiel ihr in langen, unbändigen Wellen über den Rücken.
Molly nickte und eilte davon. Mrs Callias rief David zu: »Kümmere du dich um die Verletzten. Fang bei Claire an. Ich muss wissen, wie es um sie steht.« Dann drehte sie sich zu Trevor um. »Gutes Timing. Du kannst gleich mal alle durchzählen, damit wir auch niemanden vergessen.«
»Würden Sie uns kurz begleiten?«, fragte Trevor. »Wir müssen Sie unter vier Augen sprechen.«
Mrs Callias hatte wohl an seiner Miene abgelesen, wie ernst es ihm war. »Ist das wirklich so dringend?«, fragte sie, sorgfältig auf ihre Worte bedacht.
Trevor nickte.
Mrs Callias hielt das Klemmbrett gegen die schmale Brust gepresst und folgte ihm ein paar Schritte.
»Sie müssen sofort den Hohen Rat benachrichtigen«, platzte ich heraus, bevor Trevor auch nur einen Ton sagen konnte. »Die Irin haben Cam entführt. Vielleicht haben sie auch das Erdbeben zu verantworten. Und jetzt fliehen sie!«
Verständnislos sah sie mich an. »Cam? Entführt?«
»Verständigen Sie den Hohen Rat«, sagte ich ungeduldig. »Zehn oder mehr haben Cam entführt und verlassen gerade auf einem Boot die Insel. Jedenfalls nehme ich das an. Vielleicht ist es mir auch gelungen, den Motor zu zerstören, aber ich bin mir nicht sicher.«
»Weiß Mr Judan Bescheid?«
»Ja. Er sagt, Sie sollen den Rat anrufen.«
Allmählich schien sich der Nebel in ihrem Kopf zu lichten, und sie nickte. »Gut. Mein Handy hat hier keinen Empfang. Sobald Molly zurück ist, senden wir einen Notruf.« Sie sah uns scharf an. »Wagt ja nicht, ihn auf eigene Faust zurückzuholen.«
Woher wusste sie, was wir vorhatten? Doch es blieb keine Zeit, um sich zu wundern. »Aber … «
»Seht euch doch nur mal um«, sagte sie mit strengem Blick. »Ihr werdet hier gebraucht. Außerdem ist mit einer Flutwelle zu rechnen. Da wollen wir auf keinen Fall, dass ihr jemandem aufs Wasser folgt.«
Wieder trat mir Trevor sanft auf den Fuß, und ich presste die Lippen fest aufeinander. So hatte ich mir das Ganze nicht vorgestellt.
»Haben Sie Anna gesehen, Mrs Callias?«, fragte Trevor.
»Claire ist von einem umstürzenden Baum am Kopf getroffen worden, Anna ist bei ihr.«
Trevor erstarrte. »Ist es schlimm?«
»Sie ist bei Bewusstsein. Ich habe David zu ihr geschickt.«
»Dancia!«
Als ich mich herumdrehte, sah ich Esther, Hennie und Catherine auf uns zulaufen. Allen dreien stand die Panik ins Gesicht geschrieben. »Gott sei Dank«, rief ich aus. »Seid ihr alle gesund? Keine
Weitere Kostenlose Bücher