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Night School 02 - Der den Zweifel saet

Night School 02 - Der den Zweifel saet

Titel: Night School 02 - Der den Zweifel saet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Daugherty
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sie sich nicht aufrecht halten können. In ihrem Kopf herrschte ein einziges Wirrwarr; Schlafmangel und Stress forderten ihren Tribut. Alles fühlte sich irgendwie unwirklich an.
    Keuchend kam Sylvain die Treppe hochgerannt. »Tut mir leid, bin ein bisschen zu spät«, sagte er mit einem entwaffnenden Lächeln auf den Lippen. »Ich musste dringend noch was mit Jerry besprechen, und das hat sich ewig hingezogen. Ich dachte schon, ich komme da überhaupt nicht mehr weg.« Er fuhr sich durchs zerzauste Haar und nickte Richtung Klassenzimmertrakt. »Ich weiß, wo wir hingehen können, wenn du magst.«
    Er nahm zwei Stufen auf einmal, sie folgte ihm schweigend
(sechsundsechzig Stufen)
. Ihre Schritte hallten dumpf durch den dunklen Flur im zweiten Stock
(sechzehn Schritte)
, als sie an lauter leeren Klassenzimmern vorbeiliefen.
    »Hier rein«, sagte Sylvain. Er öffnete eine Tür fast am Ende des Flurs und betätigte einen Schalter. Neonlampen leuchteten auf. Der Raum war klein (
zehn Tische in fünf Zweierreihen, vier Fenster …)
. Sylvain drehte zwei Tische so, dass sie einander gegenüberstanden, führte sie zu dem einen und setzte sich hinter den anderen. Mit einem wohligen Seufzen streckte er seine langen Beine im Gang aus.
    »War ein anstrengender Tag heute«, sagte er und griff in seine Tasche. »Jerry hat mich vielleicht getriezt. Er ist ganz schön schlecht gelaunt in letzter Zeit.«
    Allie konnte sich kaum vorstellen, wie Jerry, dieser freundliche Biolehrer, irgendwen triezte. Ihr gegenüber war er immer sehr geduldig gewesen.
    Sylvain legte sein Notizheft vor sich auf den Tisch und holte einen schlanken Silberstift hervor. Zwischen seinen azurblauen Augen hatte sich eine ernste Falte gebildet. »Bevor wir anfangen, möchte ich dir noch einmal sagen, wie leid es mir tut, dass sie ausgerechnet mich für diese Aufgabe ausgewählt haben.« Er unterbrach sich und sah sie zum ersten Mal genauer an. »Wie geht’s dir eigentlich? Du siehst ziemlich mitgenommen aus.«
    »Mir geht’s gut«, flüsterte sie, mehr war nicht drin. Sie räusperte sich und hob erneut an: »Es ist nur … Ich hab mir wohl was eingefangen.«
    »Zuallererst möchte ich dir sagen, dass du mir vertrauen kannst …«, begann er.
    Bei diesen Worten liefen wie im Zeitraffer die Bilder vom Sommer vor ihren Augen ab: Wie sie Hand in Hand gegangen waren. Wie Sylvain sie durch den Wald trug, als sie sich am Bein verletzt hatte. Wie sie ihn leidenschaftlich geküsst hatte. Die Verachtung in seiner Stimme in der Ballnacht. Der Abend, an dem er ihr das Leben gerettet hatte.
    Ihre Wangen röteten sich, und sie wandte den Blick ab.
    Einatmen, ausatmen …
    »Was ich sagen will …«, fuhr er fort, und sie hatte das Gefühl, als beobachtete er genau ihre Reaktion. »Ich weiß, dass du mir vielleicht nie mehr trauen wirst, und ich mache dir deswegen keinen Vorwurf. Trotzdem, du kannst mir glauben, dass ich über das, was du mir hier erzählen wirst, zu niemandem ein Sterbenswort sagen werde. Ich werde es nur aufschreiben und die Notizen abgeben, okay?«
    Sie musste sich zwingen, ihm in die Augen zu schauen, immer noch mit heißen Wangen. So vieles war zwischen ihnen unausgesprochen: ihr Groll über das, was im Sommer vorgefallen war, und ihre Gefühlsverwirrung ihm gegenüber; diese Gleichzeitigkeit von Geborgenheit und Bedrohung, die sie seit je empfunden hatte.
    »Na gut«, sagte sie fest. »Es war ja nicht deine Idee, und noch weniger meine. Aber es ist schon okay. Wirklich. Lieber du als … Na ja, eine ganze Menge anderer Leute. Also lass es uns hinter uns bringen.«
    Ich bin froh, dass du es bist.
Überrascht fragte sie sich, woher dieser Gedanke gekommen war.
    »Prima«, seufzte Sylvain erleichtert und öffnete sein Notizheft. »Dann bringen wir’s also hinter uns.«
    Seine ersten Fragen waren die gleichen, die sie Carter gestellt hatte. Als er nach den Namen der Großeltern fragte, rasselte sie rasch die Namen der verstorbenen Eltern ihres Vaters herunter und hielt dann inne.
    Er sah sie forschend an. »Und die Eltern deiner Mutter?«
    »Ich … Ich fürchte, ich kenne den Namen meines Großvaters mütterlicherseits gar nicht«, sagte sie schließlich. »Er wurde mir gegenüber nie erwähnt.«
    Sylvain sah verwundert aus, doch er sagte nichts und machte sich nur eine Notiz. »Und deine Großmutter?«
    Regen klatschte stakkatohaft gegen die Fensterscheiben. Als würden kleine Kiesel gegen das Glas geworfen.
    »Der Name meiner Großmutter lautet

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