NIGHT SHOW - Thriller (German Edition)
dem Weinfach.
Das Telefon klingelte erneut und ließ sie zusammenzucken. Sie riss den Hörer von der Gabel. »Hallo?«
»Cynthia«, ertönte dieselbe tiefe Stimme.
»Wer zum Geier ist da?«
»Ich ... ich will dich ... bei mir haben. Hier ist es so dunkel. So kalt.«
»Wer ist da?«
»Mmm ... Mmm ... Murray.«
Die Flasche rutschte ihr aus der Hand. Mit einem Poltern landete sie auf dem Boden, zerbrach aber nicht. Sie rollte einige Zentimeter weg, bevor sie liegen blieb. »Sie sind krank.«
»Nein, ich bin tot.«
»Sie sind ein kranker, perverser Dreckskerl, und ich rufe jetzt die Bullen an.«
»Oh Cynthia, mir ist so kalt. Ich möchte, dass du mich wärmst. Ich will, dass wir uns lieben.«
»Sie Stück Scheiße!«
»Ich komme dich holen.«
Cynthia rammte den Hörer auf die Gabel. Dann zerrte sie am Telefonkabel und zog den Stecker aus der Buchse in der Wand. Sie eilte ins Schlafzimmer, schaltete das Licht ein und ging neben dem Nachtkästchen auf die Knie. Auch dort kappte sie die Leitung.
So.
Dieser Mistkerl! Dieser Scheißer! Was für ein perverses Schwein würde so etwas tun? Niemand, den sie kannte. Es musste ein Fremder sein, der ihren Namen unter der Todesanzeige entdeckt hatte. Wahrscheinlich geht er die Liste durch und ruft jede Witwe an.
Krank!
Ich will, dass wir uns lieben.
Ich komme dich holen.
Nein, er würde nicht kommen.
Nur ein Irrer, der sich am Telefon aufgeilt.
Sie ließ sich auf den weichen Teppich neben dem Bett fallen.
Soll ich zu Barbara fahren?
Aber das sind 20 Minuten auf der Schnellstraße. Und ich kann nicht fahren. Nicht in diesem Zustand.
Soll ich Barbara anrufen und bitten, dass sie rüberkommt?
Das wäre eine Idee.
Aber dieser Kerl wird nicht kommen. Das tun diese Typen nie. Jedenfalls sagen das die Bullen im Fernsehen immer, und dann kommt der Irre doch. Nur bin ich hier nicht in irgendeiner schlechten Groschenroman-Verfilmung. Er wird nicht kommen.
Nur ein harmloser Irrer.
Irrer. Ein abstoßendes Wort. Irrer.
Und plötzlich wusste sie, dass sie sich übergeben würde. Sie hielt sich die Hand vor den Mund, rappelte sich auf die Beine und rannte ins Bad. Ihr Magen krampfte sich zusammen. Ihre Kehle füllte sich. Cynthia legte die Hände unters Kinn und versuchte, die heiße Flut aufzufangen, dann erreichte sie die Toilette. Sie beugte sich darüber, übergab sich und schluchzte.
Als sie fertig war, wischte sie sich notdürftig mit Klopapier ab. Sie schaltete das Licht im Badezimmer ein. Erbrochenes hatte den oberen Rand ihres Nachthemds bekleckert. Sie wischte einen Teil davon weg. Kurz spielte sie mit dem Gedanken, das Nachthemd wegzuschmeißen, aber Murray hatte es ihr zum letzten Valentinstag geschenkt.
Cynthia drehte die Dusche auf. Als das Wasser so heiß war, wie sie es mochte, stieg sie in die Wanne und zog den Vorhang zu. Der Strahl prasselte ihr ins Gesicht, tätschelte ihre Lider, füllte ihren offenen Mund. Die wohlige Wärme durchtränkte das Nachthemd und ließ es so an ihr kleben, dass es sich beinahe erotisch anfühlte.
An den verschmutzten Stellen benutzte sie Seife. Sie rieb den Stoff über ihren Brüsten damit ein, bis er schaumig und glitschig wurde, dann legte sie die Seife weg und duschte sich von Kopf bis Fuß ab.
Schließlich beugte sie sich vor und versuchte, das Nachthemd über den Kopf zu ziehen. Sie schälte sich mühsam aus dem klammen Stoff heraus. Cynthia wrang es aus. Danach öffnete sie den Duschvorhang und warf das Kleidungsstück ins Spülbecken. Dabei glaubte sie, erneut das Telefon zu hören.
Unmöglich. Nur ihre Fantasie, die ihr einen Streich spielte.
Ein leises Klingeln hallte durch das Haus.
Ihre Eingeweide zogen sich zusammen. Sie kauerte sich hin und drehte die Wasserhähne ab.
Da war es wieder – ein langes, beharrliches Klingeln, dass über ihren Körper kroch wie die Finger eines Toten.
Das kann nicht sein, beruhigte sie sich.
Stille. Cynthia wartete und klammerte sich am Waschbecken fest.
Es hat aufgehört, dachte sie. Gott sei Dank, es hat ... Dann setzte es erneut ein, diesmal als Abfolge kurzer schriller Laute, die ihr Telefon noch nie von sich gegeben hatte.
Die Türglocke!
Jemand ist an der Vordertür.
Ich komme dich holen.
Aber nicht Murray. Der Anrufer war nicht Murray gewesen. Er ist tot. Schon die Stimme klang ganz anders. Es sei denn, sie hatte sich irgendwie verändert. Es sei denn, der Unfall ... nein, nein, nein. Diese Anrufe mussten von einem Geistesgestörten stammen.
Und jetzt steht
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