Night Sky 1 - Sklave des Blutes (German Edition)
war zwar nicht mehr derart verpönt oder unsittlich wie vor hundert Jahren, aber es ergaben sich viele unvorhersehbare Probleme durch die kleinen Unterschiede. Nicht nur im Temperament, sondern auch bei der Schwangerschaft und Geburt. Vollblüter gab es unzählige, doch ein Reinblut war adelig, so besonders unter den Vampiren, dass es oft zu Komplikationen kam. Mom hatte es damals gewusst und versucht, ihn mit strengster Ablehnung von Alisha zur Vernunft zu bringen. Er durfte denselben Fehler nicht zwei Mal begehen! Er durfte nie wieder so egoistisch sein. Er senkte den Blick, gab sie gedanklich frei.
Josephine schluckte, zog sich rasch an und verließ ohne ein weiteres Wort das Häuschen, das er mit eigenen Händen gebaut und das vor ihr nie eine Frau beherbergt hatte. Er spürte, wie die anderen Vampire sich vom Haus zurückzogen.
Timothy stand plötzlich vor Alexander, packte ihn unter dem Kinn und riss den Kopf zu ihm empor. Die spitzen Fänge blitzten vor wütendem Speichel im flackernden Licht der Kerzen, als er ihm drohte.
„Ich will nicht wissen wer du bist noch will ich dich umbringen. Deine Handlung war mir und meiner Familie zuwider und ich fühle, dass du das weißt. Da du ihr kein Leid zugefügt hast und dich trotz der Versuchung zurückhieltest, verschone ich dich. Lass dich nie wieder in ihrer Nähe blicken. Sie ist nicht zu haben!“
Timothy verpasste ihm einen Schwinger, der ihn in die hintere Ecke des Schlafzimmers katapultierte, wo er todunglücklich liegen blieb und sich nach dem Ende sehnte.
Amy hatte ein Wesen aufgespürt, sie war todsicher. Doch sie bekam es nicht vor die Linse. Es schien mit ihr zu spielen, sie rankommen zu lassen und im letzten Moment auf unerklärliche Weise vor ihren Augen zu verschwinden. Bisher hatte sie dreißigdigitale Fotos verschossen, und stets nichts erwischt.
Langsam entwickelte sie eine Antenne für diese Geschöpfe, von denen ihre Karriere abhing. Sie wusste nicht, worauf sie achten musste, aber die kleinsten Details führten sie bei Personen, die ihr auf der Straße begegneten, auf die Idee, dieses Exemplar könnte ihre nächste Story sein. Weiß Gott, ein Volltreffer war das nicht immer. Eher das Gegenteil, doch Amy wäre nicht Journalistin geworden, wenn mühselige Arbeit oder Rückschläge sie von ihrem Vorhaben abbringen könnten. Und ab und zu spürte sie, dass sie richtig lag – so wie jetzt.
Bisher hatte sie bei der Verfolgung verdächtiger Subjekte auf ganzer Linie versagt. Sie bog um eine Häuserecke und weg waren sie, hatten sie gespürt oder bemerkt, hatten verborgene Augen am Hinterkopf oder lasen ihre Gedanken. Amy schloss nichts aus, nur weil sie es nicht verstand. Ihren Recherchen zufolge gab es alles, was es nicht geben sollte und um allem offenzubleiben zwang sie sich, genau so zu denken. Alles war möglich. Somit nahm sie leicht verärgert in Kauf, dass dieses Wesen mit ihr spielte, sie seit einer Stunde durch die Innenstadt manövrierte und sie verarschte. Einen Termin hatte sie bereits sausen lassen, unzählige Anrufe nicht angenommen, um die Chance, ein Foto zu schießen, nicht zu verpassen. Aber wie es aussah, hätte sie sich genauso einem ausführlichen Telefonat widmen können und der Kerl – vermutlich ein männliches Geschöpf – wäre nach wie vor hinter der nächsten Biegung aufgetaucht. Es kribbelte in ihr, zu erfahren, ob er sich zu einem Werwolf verwandeln konnte, einen Dämon in sich vereinte oder ein Vampirgebiss zum Vorschein brachte, wenn sie ihn genug reizte. Die Gefahren stieß sie beiseite, gutem Journalismus wohnten sie eben inne, ohne Angst kein Thriller, ohne Schweiß kein Preis, ohne Beweis keine Schlagzeile.
Amy ging dermaßen in der Verfolgung und den Gedanken auf, dass sie fürchterlich zusammenschreckte, als ihr Verfolgter plötzlich in einer breiten Einkaufsstraße vor ihr stand. Sie schnappte nach Luft und riss die Kamera hoch, bis sie bemerkte, dass sie ihn erkannte.
„Ach du heilige Scheiße.“
„Es freut mich gleichwohl, dich wiederzusehen.“
Er drückte mit der einen Hand den Fotoapparat nach unten, hob mit der anderen ihre Finger und hauchte einen Kuss auf die Oberfläche, ohne sie eine Sekunde aus den Augen zu lassen. Die Sonne wärmte Amy den Rücken, beschien das kantige Gesicht mit dem gezwirbelten Schnurrbart, der hohen Stirn und die lila Iris, die sie interessiert beäugten. Auch wenn sie alles Ungewöhnliche an ihm wie die Augenfarbe in die Schublade ‚heutige Möglichkeiten‘
Weitere Kostenlose Bücher