Night Sky 1 - Sklave des Blutes (German Edition)
wäre, sofern diese Situation nicht einen gefährlicheren Charakter angenommen hätte als beabsichtigt, zum Schreien komisch. Leider fing er sich schnell.
„Du erhältst die Erlaubnis, weiterhin mit mir Eis zu essen, wie wäre das?“
„Auch gut. Also, du bist abhängig von Licht. Im ‚Out‘ flackerte deine Erscheinung, ich schob es auf deinen seidig glänzenden Anzug. Seitdem wir hier sitzen, wirst du nervöser, weil bald die Sonne von Wolken verdunkelt wird. Ich vermute, daher kommt unter anderem dein Wesensname, nennt man das so? Du bist ein Schatten. Je stärker die Helligkeit, desto konturenreicher bist du. Da du mir aber ebenso in hellen Gassen entwischt bist, nehme ich an, du kannst deine Präsenz gleichermaßen im Sonnenlicht verschwinden lassen, nur umgekehrt funktioniert das nicht. Kein Licht, kein Profil. Außerdem sagtest du, du bist tot, in dem Fall glaube ich dir.“
Aufmerksam beobachtete Amy die feinen Gesichtszüge von dem Wesen, vor allem den gezwirbelten Schnurrbart und die Farbgebung seiner Regenbogenhaut. Sie verrieten mehr als er dachte, glaubte sie zumindest und bestärkte sie jetzt, in diese Richtung weiterzudenken, obwohl sie nicht die geringste Ahnung hatte, was sich ihr Gehirn gerade zusammenreimte.
„Wenn du tot bist, dazu ein Schatten und ich das in Zusammenhang mit dem Wandler in deinem Namen setze, könnte es sein, dass die Wandlung gemeint ist, und damit deine Gestalt.“ Das hämische Aufblitzen in den Augen verpfiff ihn. „Aber das ist es nicht. Wandler, hm, wahrscheinlicher ist, dass du dich zwischen Leben und Tod bewegst, dass du zwischen den Welten wandelst. Was näher liegt, dass du bis heute etwas auf der Erde zu erledigen hast, weshalb du dich mit Mr. Baker im ‚Out‘ getroffen hast, in einer Bar, wo sich meines Wissens viele Wesen aufhalten.“
Er unterdrückte ein Schlucken. Sie ebenfalls. Nun hatte sie fast alle Karten auf den Tisch gelegt und das dumpfe Gefühl, dass gleich irgendetwas passierte. Ob gut oder schlecht, wusste nur der Schattenwandler. Sie sah ihm unverwandt in die Augen, ließ nicht zu, dass er ihre Furcht, die ihr die Kehle zuschnürte, sah.
„Wenn ich dich küssen wollen würde, würdest du mir vertrauen?“
Amy konnte nicht widerstehen, sie fing leise an zu kichern. Es befreite sie. Dieses Treffen war absurd, so anderes als jedes Interview, das sie bisher geführt hatte. Hoffentlich führte es sie ans Ziel, sie bedauerte, dass er nicht geantwortet hatte. Sie hob den Löffel und aß das leicht geschmolzene Eis. „Hast du dir denn heute früh die Zähne geputzt?“
Er übernahm ihre Strategie, löffelte Eis, beugte sich weiter vor, schob den Eisbecher über den Tisch an ihren heran und sah auf. In seinen Augen sprühten winzige Lichtreflexe. „Du stehst auf Reinheit?“
„Oh ja.“
„Dann bist du bei mir richtig, ich habe eine blütenreine Weste.“
Mist! „Aber leider bin ich beruflich hier und darf mich nicht mit meinen Quellen einlassen.“
Er grinste spöttisch und neigte sich noch weiter vor, so weit es seine hagere Gestalt zuließ. „Du willst reden und ich möchte dich flachlegen. Warum vereinen wir nicht unsere Interessen?“
Fast hätte er sie gehabt. Wie gut, dass sie jahrelange Übung mit normalen Männern hatte. „Du plauderst also nur, wenn ich unter dir liege?“
Er schmunzelte und leckte sich über die Lippen. Bis auf die Tatsache, dass er ein wenig schmächtig war und der Bart aus einem anderen Jahrhundert zu stammen schien, hätte sein scharfer Verstand ihr tatsächlich gefallen, wäre er kein gefährliches Wesen. Vielleicht spürte er dies.
„Ich bewundere deine Furchtlosigkeit. Wirklich amüsant. Du darfst gern nach oben.“
Sie kicherte, wurde aber nervöser. Das Gespräch ging in die falsche Richtung. Sie sah gen Himmel. „Während wir hemmungslosen Sex haben“, sie schuf eine dramaturgische Pause, „was würde passieren, wenn ich das Licht ausknipse?“
Die Sonne verschwand, eine graue Wolke schob sich davor, hinterließ auf der vormals erhellten Einkaufspassage ein düsteres Abbild. Ihr Gegenüber verblasste, doch sie spürte ihn, er blieb dicht bei ihr. „Lass das!“, fauchte sie ins Nichts hinein.
„Ich würde dich weiterhin nehmen.“
Amy blickte wild umher, sah aber keinen Umriss oder Schatten, das Licht reichte wohl nicht aus. Oder er machte ihr absichtlich Angst. Was, wenn er in sie fuhr? „Würde ich das noch spüren?“ Weiterfragen, keine Pause einlegen.
„Das weiß ich nicht“,
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