Night Sky 1 - Sklave des Blutes (German Edition)
hauchte es an ihrem Ohr, die Sonne tauchte auf und er saß, den Eisbecher in der Hand, auf dem Bistrostuhl, kratzte die Reste zusammen. „Es kommt also auf einen Versuch an.“ Er schaute sie unter schweren Lidern an. „Leider habe ich alle ins Jenseits befördert, bevor sie sagen konnten, wie gut ich war.“
Eine typische Lüge eines Mannes. „Wie war ich denn vorhin?“
Die Frage warf ihn aus dem Konzept, er runzelte die hohe Stirn. Nachsetzen! Sie kokettierte mit ihm, hob eine Augenbraue und deutete auf seinen Eisbecher. „Es einer Frau zu machen, ist etwas grundlegend anderes als eine Eiskugel zu lecken.“ Seine Augenlider verengten sich. Jetzt hatte sie ihn. „Ich meinte, wie habe ich geraten, vorhin?“
„Du warst gut.“
„Das höre ich gern.“ Sie schmunzelte. „Wie bist du gestorben?“ Sie hielt die Luft an, hoffte, dass sie den richtigen Zeitpunkt gewählt hatte, die Frage zu stellen, die ihr die ganze Zeit auf der Zunge brannte. Sie hätte nicht gedacht, dass sie es wagen würde. Aber wie so oft war ihr Mundwerk schneller als ihr Überlebenswille.
Er erhob sich, als wollte er gehen. Doch er nahm den Stuhl an der Rückenlehne und stellte ihn neben ihrem ab. Die Langsamkeit hatte etwas Bedrohliches und Amy durchflutete das Kribbeln der Vorsicht. Sie meinte zwar, ihn allmählich zu kennen, zu wissen, wo seine Grenzen lagen, wozu er jedoch fähig war, wusste sie nicht. Erst jetzt ging ihr auf, als ihr Herz anfing, wegen der gefährlichen Nähe zu rasen, dass sie die ganze Zeit mit einem Wesen sprach, dass es diese Spezies gab, sie unerkannt mit dem Homo sapiens lebten und egal, wie viele Zweifel sie bisher trotz all der Fotos und Videos gehabt hatte, sie waren ausgeräumt. Doch niemand würde ihr glauben.
Er saß ihr gegenüber, seine vor ihrem Stuhl gespreizten Oberschenkel berührten ihre Knie, ein eindeutiges Zeichen, dass sie gefangen war. Wieder legte er den Kopf ein wenig schräg, als wäre es eine Eigenart, und ein süßes Lächeln huschte über das männliche Gesicht.
„Zuerst einen Kuss.“
Angriff ist die beste Verteidigung. Amy beugte sich rasch vor und küsste ihn flüchtig auf die Wange. Das schien ihn im ersten Moment zu irritieren, bis er auflachte.
„So doch nicht! Du bist echt unmöglich. Also, darf ich?“
Amy atmete tief ein. Oh Gott, ließ sie sich gerade mit dem Teufel ein? Wenn er sie verbannte, sie verschlang, sie tötete? War ihr Job das wert, das Wissen … Sie schloss die Augen, sie tränten fast vor Angst.
Zuerst spürte sie nichts, dann bemerkte sie Wärme, die auf ihr Gesicht zukam, ein Hauch seines Rasierwassers drang ihr in die Nase und sodann berührten seine warmen, weichen Lippen die ihren, sinnlich, mit kaum merklichem Druck. Sein Bart war seidiger als sie vermutet hatte und schmiegte sich zart an ihr Kinn, während sich die Intensität auf ihrem Mund erhöhte und schließlich verschwand. Sie schluckte, öffnete die Augen. Er saß weiterhin an ihrer Seite, schien verzückt zu sein. Amy senkte die Lider, dankbar, dass sie lebte, dass alles gut gegangen war. Eine Träne der Erleichterung rollte ihr über das Gesicht, aber bevor Amy sie heimlich wegwischen konnte, lag seine Handfläche an ihrer Wange und strich sie sanft fort. Sie starrte auf seine Finger und er zog sie weg.
„Starr nicht so, früher hatte man das nicht mit der Reinlichkeit.“
Sie sah ihm in die Augen. Sie hatte zwar die leicht schmutzigen Fingernägel bemerkt – war das getrocknetes Blut? – doch sie hatte seine Sanftheit gemeint, wie er ihr die Träne weggewischt hatte. Das sagte sie ihm und er brummte.
„Du wolltest wissen, wie ich zum Schattenwandler wurde.“
Er zog sich auf der rechten Seite den Hemdkragen hinunter und Amy erblickte zwei Löcher in seinem Hals. Es waren keine vernarbten Wunden, sondern richtige, dunkle, Einstiche, so groß wie der Durchmesser eines Bleistiftes, die den Anschein erweckten, nicht verheilt zu sein und tief in sein Inneres zu gehen.
„Tut das noch weh?“
Er zog den Kopf zurück, ließ ihn unbewusst ein wenig in Schräglage. „Natürlich nicht. Du weißt, was das ist?“
Sie nickte, obwohl sie es gern von ihm gehört hätte, als Bestätigung, dass es ebenso Vampire gab. Amy streckte vorsichtig die Hand nach vorn aus, nahm ihm zärtlich den Hemdkragen aus den Fingern und zog ihn weiter nach unten. Mit der anderen hatte sie die Digitalkamera aus der Tasche gezogen und drückte fest den Auslöser.
Sie spürte, wie das Leben aus ihrem Körper
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