Night World - Gefährten des Zwielichts - Smith, L: Night World - Gefährten des Zwielichts - Night World - Soulmate
Hände nicht an ihrem Körper spüren.
Er wirkte fassungslos. Ungläubig. »Du erinnerst dich … an alles?«
»An alles.« Hannah war jetzt stolz und kalt. »Du kannst also einfach gehen, denn was immer du geplant hast, es wird nicht funktionieren. Welche – Tricks – du auch benutzen wolltest …« Sie schüttelte den Kopf. »Geh einfach.«
Nur für eine Sekunde legte sich ein seltsamer Ausdruck über Thierrys Züge. Ein Ausdruck voller Traurigkeit und Einsamkeit, dass es Hannah die Kehle zuschnürte.
Aber sie konnte sich nicht gestatten, weich zu werden. Sie durfte ihm keine Chance geben, sie abermals zu überlisten.
»Halt dich einfach von mir fern«, sagte sie. Bei all der Verwirrung und dem Aufruhr in ihr war das das Einzige,
was sie klar erkennen konnte. »Ich will dich nie wiedersehen.«
Er hatte seine Fassung wieder gewonnen. Er sah aus, als weigerten sich seine Nerven, den Schock zu verarbeiten, aber seine Augen waren ruhig. »Ich wollte dir niemals weh tun«, sagte er leise. »Und jetzt will ich nichts anderes, als dich beschützen. Aber wenn du es so willst, werde ich gehen.«
Wie konnte er behaupten, er habe ihr niemals weh tun wollen? Zählte Mord etwa nicht? »Das ist in der Tat das, was ich will. Und ich brauche deinen Schutz nicht.«
»Du hast ihn trotzdem«, erwiderte er.
Und dann bewegte er sich, schneller, als sie selbst sich jemals hätte bewegen können, beinahe schneller als ein Gedanke. Binnen eines Sekundenbruchteils war er dicht vor ihr. Er berührte ihre linke Wange, so sachte wie ein Mottenflügel. Und dann ergriff er ihre Hand und steckte ihr etwas an den Finger.
»Trage ihn«, sagte er, und seine Stimme war nicht lauter als ein Atemzug. »Der Ring ist mit Zaubern ausgestattet, die dich beschützen. Und selbst ohne diese Zauber gibt es nicht viele Geschöpfe der Nachtwelt, die dir etwas zuleide tun werden, wenn sie ihn sehen.«
Hannah öffnete den Mund, um zu sagen, dass sie kein Geschöpf der Nachtwelt fürchtete außer ihm, aber er sprach weiter. »Versuch, nicht allein auszugehen, vor allem nicht nachts.«
Und dann war er fort.
Einfach so. Er hatte die Veranda verlassen und war irgendwo in der Dunkelheit verschwunden. Sie sah nicht einmal einen Schatten. Er war einfach fort. Hätte sie nicht eine flüchtige Bewegung in Richtung Prärie wahrgenommen, hätte sie annehmen müssen, er besäße die Fähigkeit, von einem Moment auf den anderen unsichtbar zu werden.
Ihr Herz hämmerte schmerzhaft, und ein dicker Kloß im Hals hinderte sie zu atmen.
Warum hatte er ihre Wange berührt? Die meisten Leute berührten das Muttermal nicht; sie behandelten es wie eine Prellung, die möglicherweise noch schmerzte. Aber seine Finger hatten das Mal nicht gemieden. Die Liebkosung war sanft gewesen, beinahe traurig, aber nicht ängstlich.
Und warum stand sie noch immer hier und starrte in die Dunkelheit, als erwarte sie, dass er zurückkehrte?
Geh hinein, Idiotin.
Hannah machte kehrt, betastete die Hintertür und drehte den Knauf, als hätte sie die Tür noch nie zuvor geöffnet. Sie zog sie hinter sich zu und schloss ab, und wieder stellte sie sich so unbeholfen an, als habe sie noch nie im Leben ein Schloss bedient oder auch nur gesehen.
Sie war über den Punkt hinaus, an dem ihr nach Schreien oder Weinen zumute gewesen wäre, und befand sich in einem Schockzustand, der beinahe etwas Traumhaftes
hatte. Das Haus war zu hell. Die Uhr an der Küchenwand war zu laut. Sie hatte das losgelöste Gefühl, dass weder Nacht noch Tag war.
Es war, als käme man aus einem Theaterstück und stellte zu seiner Überraschung fest, dass es draußen noch hell war. Sie hatte das Gefühl, dass dies nicht dasselbe Haus sein konnte, das sie vor einer Stunde verlassen hatte. Sie war nicht dieselbe Person, die es verlassen hatte. Alles um sie herum erschien ihr wie eine sorgfältig aufgebaute Filmkulisse, die real hätte sein sollen, es aber nicht war, und nur sie konnte den Unterschied erkennen.
Ich fühle mich hier wie eine Fremde, dachte sie und legte eine Hand an den Hals, wo sie gerade noch zwei kleine Bisswunden ertasten konnte. Oh Gott, wie soll ich jemals wieder wissen, was real ist und was nicht?
Aber ich sollte glücklich sein; ich sollte dankbar sein. Ich habe da draußen wahrscheinlich gerade mein Leben gerettet. Ich war allein mit einem bösartigen, verkommenen, mörderischen Monstrum und …
Irgendwie erstarb der Gedanke. Sie konnte nicht glücklich sein, und sie wollte nicht darüber
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