NIGHT WORLD - Jägerin der Dunkelheit
sich und klopfte sich ab. Es war Zeit, sich den Konsequenzen zu stellen. Mit hocherhobenem Kopf stand sie da und sah die anderen an.
»Was ist passiert?«, fragte Steve. »Hat er dich hypnotisiert?«
Der gute alte Steve. Ein Gefühl der Wärme für ihn stieg in ihr auf. Aber sie konnte den Ausweg, den er ihr anbot, nicht nutzen. »Ich weiß nicht, was passiert ist«, sagte sie stattdessen.
Und das war die Wahrheit. Sie konnte nicht einmal sich selbst auch nur ansatzweise erklären, was zwischen ihr und dem Vampir vorgefallen war. Sie hatte noch nie von etwas Derartigem gehört.
»Ich denke, du hast ihn absichtlich laufen lassen«, erklärte Vicky. Rashel konnte Vickys hellblaue Augen nicht sehen, aber sie spürte, dass sie so hart waren wie Murmeln. »Ich denke, du hast das von Anfang an so geplant - das ist der Grund, warum du uns auf die Straße geschickt hast.«
»Ist das wahr?« Eine der Taschenlampen wurde nach unten bewegt, und plötzlich stand Nyala vor Rashel; ihr Körper war angespannt, und ihre Stimme klang beinahe flehentlich. Ihr Blick war starr auf Rashels Augen gerichtet, und sie schien Rashel anzubetteln, es zu bestreiten. »Hast du es mit Absicht getan?«
Mit einem Mal war Rashel sehr müde. Nyala war zerbrechlich und labil, und sie hatte sich Rashel als ihre Heldin erkoren. Jetzt wurde dieses Bild zerstört.
Um Nyalas Willen wünschte Rashel beinahe, sie hätte lügen können. Aber das wäre am Ende noch schlimmer gewesen. Stattdessen sagte sie ausdruckslos: »Ja. Ich habe es mit Absicht getan.«
Nyala wich zurück, als hätte Rashel sie geschlagen.
Ich kann dir keinen Vorwurf machen, dachte Rashel. Ich finde es auch verrückt.
Die Wahrheit sah anders aus: Je größer der Abstand zwischen ihr und Quinn wurde, umso weniger konnte sie selbst begreifen, was sie getan hatte. Es kam ihr langsam wie ein Traum vor, und zwar nicht wie ein besonders klarer Traum.
»Aber warum ?«, fragte einer der Lancerjungen weiter hinten im Raum. Die Lancers kannten Rashel, kannten ihren Ruf. Sie wollten nicht das Schlimmste von ihr denken. Wie Nyala wünschten sie sich verzweifelt eine Entschuldigung.
»Ich weiß nicht, warum«, antwortete Rashel und wandte den Blick ab. »Aber er hatte keine Kontrolle über meinen Geist.«
Nyala explodierte.
»Ich hasse dich«, platzte sie heraus. Sie zitterte vor Zorn und spie die Sätze in Rashels Richtung wie Giftpfeile. »Dieser Vampir könnte derjenige gewesen sein, der meine Schwester getötet hat. Oder er könnte gewusst haben, wer es getan hat. Ich wollte ihn danach fragen, aber jetzt werde ich niemals die Gelegenheit dazu bekommen. Deinetwegen. Du hast ihn laufen lassen. Wir hatten ihn, und du hast ihn laufen lassen!«
»Es ist mehr als das«, warf Vicky ein, und ihre Stimme klang kalt und verächtlich. »Wir wollten ihn nach diesen Mädchen fragen, die entführt wurden. Jetzt können wir das nicht mehr tun. Also wird es weiterhin geschehen, und es wird ganz allein deine Schuld sein.«
Und sie hatten recht. Selbst Nyala hatte recht. Woher wusste Rashel, dass Quinn nicht derjenige war, der Nyalas Schwester getötet hatte?
»Du bist eine Vampirfreundin«, stellte Vicky fest. »Ich konnte es von Anfang an spüren. Ich weiß nicht, vielleicht bist du eine von diesen verdammten Morgendämmerungstypen. Die wollen, dass wir alle friedlich miteinander leben. Aber auf keinen Fall stehst du auf unserer Seite.«
Zwei der Lancers wollten daraufhin protestieren, aber Nyala ließ sie nicht zu Wort kommen. »Sie steht auf deren Seite?« Sie versteifte sich und blickte zwischen Vicky und Rashel hin und her. »Wart's nur ab. Warte nur, bis ich den Leuten erzähle, dass Rashel die Katze ist und dass sie in Wirklichkeit auf der Seite der Nachtwelt steht. Wart's nur ab.«
Sie ist hysterisch, durchzuckte es Rashel. Selbst Vicky wirkte überrascht, als sei ihr unbehaglich, was sie da begonnen hatte.
»Nyala, hör zu...«, sagte Rashel.
Aber Nyala war in solchen Zorn geraten, dass sie nichts mehr an sich heranließ. »Ich werde es allen in Boston erzählen! Du wirst es sehen!« Sie fuhr herum und rannte die Treppe hinauf, als wollte sie ihr Vorhaben auf der Stelle in die Tat umsetzen.
Rashel sah ihr nach. Dann sagte sie zu Vicky: »Du solltest ihr besser einige der Männer hinterherschicken. Sie ist in dieser Gegend allein nicht sicher.«
Vicky bedachte sie mit einem Blick, der halb wütend, halb erschüttert war. »Ja. Okay. Alle außer Steve gehen ihr nach. Ihr bringt sie nach
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