NIGHT WORLD - Jägerin der Dunkelheit
Wahrheit war. Das Mädchen machte nicht den Eindruck, als sei es in seinem ganzen Leben jemals an etwas hochgeklettert. Es trug ein Outfit, das nach Party aussah, und hochhackige Schuhe.
Rashel sah die Scheinwerfer des Lastwagens auf der Straße und hörte, dass der Motor langsamer lief.
»Du musst!«, drängte sie. »Es sei denn, du willst zu ihnen zurück.« Sie schlang die Finger ineinander und formte mit den Händen eine Trittleiter. »Hier! Stell deinen Fuß auf meine Hände und dann versuch einfach, dich festzuhalten, wenn ich dich hochwerfe.«
Das Mädchen war zu verängstigt, um es nicht zu versuchen. Sie stellte den Fuß auf Rashels Hand - und in diesem Moment wurden die Scheinwerfer ausgeschaltet.
Genau das hatte Rashel erwartet. Die Dunkelheit war ein Vorteil für die Vampire; sie konnten im Dunkeln viel besser sehen als Menschen. Sie würden ihnen zu Fuß folgen.
Rashel holte tief Luft, und während sie ausatmete, stieß sie das Mädchen explosiv nach oben. Das blonde Mädchen segelte mit einem Kreischen auf die Oberkante des Zauns zu.
Nicht mehr als eine Sekunde später sprang Rashel den Zaun hinauf und auf der anderen Seite wieder hinab. Beinahe geräuschlos kam sie auf dem Boden auf und breitete die Arme für das blonde Mädchen aus.
»Lass los! Ich fang dich auf.«
Das Mädchen, das unbeholfen von einer Seite des Zauns auf die andere kletterte, blickte über die Schulter. »Ich kann nicht...«
»Tu es!«
Das Mädchen ließ sich fallen. Rashel fing seinen Sturz ab, stellte es auf die Füße und packte seinen Arm oberhalb des Ellbogens. »Komm!«
Während sie rannten, ließ Rashel den Blick über die Gebäude um sie herum schweifen. Sie brauchte eine Ecke, irgendeinen Ort, an dem sie das Mädchen hinter sich und in Sicherheit bringen konnte. Eine Ecke konnte sie verteidigen - falls es nicht mehr als zwei oder drei Vampire waren.
»Wie viele sind es?«, fragte sie das Mädchen.
»Hm?« Das Mädchen keuchte.
»Wie - viele - sind - es?«
»Ich weiß nicht, und ich kann nicht mehr laufen!« Das Mädchen kaum taumelnd zum Stehen und krümmte sich, die Hände auf die Knie gestützt, während es versuchte, wieder zu Atem zu kommen. »Meine Beine... sind wie Gelee.«
Es hat keinen Sinn, begriff Rashel entsetzt. Sie konnte nicht erwarten, dass dieses Stückchen blonder Flausch schneller war als ein Vampir. Aber wenn sie hier wie auf dem Präsentierteller stehen blieben, waren sie tot. Sie sah sich verzweifelt um.
Dann entdeckte sie es. Ein ausgemustertes Auto - in Bostoner Tradition. Wenn man in dieser Stadt sein Auto satt hatte, stellte man es einfach am nächsten Straßenrand ab.
Rashel segnete im Stillen den unbekannten Gönner, der diesen Wagen hatte stehen lassen. Also, wenn sie nur hineinkamen...
»Hierher!« Sie gab dem Mädchen keine Zeit zu protestieren, sondern packte es und schleifte es hinter sich her. »Komm, du schaffst es! Nur noch bis zu diesem Wagen, dann brauchst du nicht mehr zu laufen.«
Die Worte schienen dem Mädchen genug Kraft für eine letzte Anstrengung zu geben. Sie erreichten den Wagen, und Rashel sah, dass eines der hinteren Fenster sauber herausgebrochen war.
»Rein da!«
Das Mädchen war zart und passte mühelos durch das Fenster. Rashel setzte ihm nach. Dann stieß sie es in den Fußraum vor der Rücksitzbank und zischte: »Mach keinen Mucks!«
Angespannt lag sie da und lauschte. Sie hatte kaum Zeit gehabt, zweimal einzuatmen, als sie auch schon Schritte hörte.
Leise Schritte, verstohlen wie die eines Tigers auf der Pirsch. Vampirschritte. Rashel hielt den Atem an und wartete.
Näher, näher... Rashel konnte das Zittern des anderen Mädchens spüren.
Sie richtete ihren Blick auf die dunkle Decke des Autos und versuchte, eine Verteidigungsstrategie zu planen, sollte man sie entdecken.
Die Schritte waren jetzt direkt vor ihnen. Sie hörte das Knirschen von Glas keine drei Meter von der Autotür entfernt.
Lass ihn nur bitte keinen Werwolf bei sich haben, dachte sie. Vampire mochten besser sehen und hören als Menschen, aber ein Werwolf witterte seine Beute. Ihm würde der Geruch von Menschen im Auto auf keinen Fall entgehen.
Die Schritte draußen hielten inne, und Rashel sank der Mut. Mit offenen Augen griff sie schweigend nach ihrem Schwert.
Und dann wieder Schritte, schneller diesmal, und - fort von dem Auto. Sie lauschte, während die Schritte verklangen, und gab keinen Laut von sich. Dann wartete sie weiter, während sie still bis zweihundert
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