NIGHT WORLD - Jägerin der Dunkelheit
Unterwelt...« Daphne starrte ins Leere. Ihre Augen, von sehr dunklem Kornblumenblau unter schweren Lidern, wirkten sehnsüchtig und beinahe wie hypnotisiert.
Rashel stieß sie an, und etwas von der Schokolade schwappte auf den Tisch. »Du kannst später in Erinnerungen schwelgen. Welche Leute waren in dem Klub? Vampire?«
»Oh nein.« Daphne blickte erschrocken drein. »Ganz gewöhnliche Jugendliche. Ich kenne einige davon aus der Schule. Und ich schätze, es sind auch einige Ausreißer dabei. Straßenkinder.«
Rashel blinzelte. »Ausreißer...«
»Ja. Die sind größtenteils ziemlich cool, bis auf diejenigen, die Drogen nehmen. Die sind unheimlich.«
Ein illegaler Klub voller jugendlicher Ausreißer, von denen einige für Drogen wahrscheinlich alles tun würden.
Rashels Haut kribbelte.
Ich glaube, da bin ich über etwas Großes gestolpert.
»Wie dem auch sei«, fuhr Daphne fort, »ich gehe jetzt seit ungefähr drei Wochen hin, wann immer ich von zu Hause wegkomme...«
»Du hast deinen Eltern nichts davon erzählt«, erriet Rashel.
»Machst du Witze? Das ist kein Lokal, von dem man seinen Eltern erzählt. Außerdem interessiert sich meine Familie nicht dafür, wo ich hingehe. Ich habe vier Schwestern und zwei Brüder, und meine Mom und mein Stiefvater lassen sich gerade scheiden... Sie merken es nicht mal, wenn ich nicht da bin.«
»Sprich weiter«, sagte Rashel grimmig.
»Hm, da war dieser Mann.« Wieder trat ein sehnsüchtiger Ausdruck in Daphnes kornblumenblaue Augen. »Dieser Mann, der wirklich umwerfend war und wirklich geheimnisvoll und einfach anders als jeder Mensch, dem ich je begegnet bin. Und ich dachte, er interessiert sich vielleicht für mich, weil ich ein oder zwei Mal bemerkt habe, dass er mich ansah, also habe ich mich den Mädchen angeschlossen, die immer in seiner Nähe rumhingen. Wir haben über komische Sachen gesprochen.«
»Worüber denn zum Beispiel?«
»Oh, zum Beispiel darüber, dass man sich der Dunkelheit ergibt und solche Dinge. Es war wie mit der Musik - wir alle standen total auf Tod. Wir haben zum Beispiel darüber geredet, welches die grauenhafteste Weise wäre zu sterben, welches die schrecklichste Folter wäre, die man erleiden könnte, wie man aussehen würde, wenn man im Grab läge. Solche Sachen.«
»Um Gottes willen, warum ?« Rashel konnte ihre Abscheu nicht verbergen.
»Ich weiß nicht.« Plötzlich wirkte Daphne klein und traurig. »Ich schätze, weil die meisten von uns das Gefühl hatten, dass das Leben ziemlich mies ist. Also sieht man den Dingen quasi ins Auge und versucht, sich daran zu gewöhnen. Du verstehst das wahrscheinlich nicht«, fügte sie hinzu und verzog das Gesicht.
Rashel verstand das durchaus. Mit einem plötzlichen Schock, sah sie die Dinge glasklar: Diese Jugendlichen waren verängstigt und depressiv und machten sich Sorgen um die Zukunft. Sie mussten etwas tun, um den Schmerz abzutöten... selbst wenn das bedeutete, Schmerz willkommen zu heißen. Sie entflohen einer Dunkelheit, indem sie eine andere suchten.
Und bin ich denn wirklich anders? Ich meine, diese Besessenheit von Vampiren... Es ist nicht direkt das, was man normal und gesund nennen würde. Ich habe mich mein ganzes Leben lang mit dem Tod beschäftigt.
»Es tut mir leid«, sagte sie, und ihre Stimme klang etwas sanfter als vor einigen Minuten, als sie schon einmal versucht hatte, Daphne zu beruhigen. Unbeholfen tätschelte sie dem anderen Mädchen kurz den Arm. »Ich hätte dich nicht anschreien sollen. Und wenn du es wissen willst, ich verstehe es durchaus. Bitte, sprich weiter.«
»Nun.« Daphne blickte noch immer so drein, als müsste sie sich verteidigen. »Einige der Mädchen schrieben Gedichte über das Sterben... Und einige von ihnen stachen sich mit Nadeln und leckten das Blut ab. Sie sagten, sie seien Vampire. Sie haben natürlich nur so getan.« Sie sah Rashel wachsam an.
Rashel nickte nur.
»Also habe ich genauso geredet und die gleichen Sachen gemacht. Und dieser Mann, Quinn, schien es wunderbar zu finden - he, pass auf!« Daphne zuckte zurück, um einer Welle heißer Schokolade auszuweichen. Rashel hatte mit einer plötzlichen Bewegung ihren Becher umgeworfen.
Oh Gott, was ist los mit mir? dachte Rashel. Laut sagte sie mit zusammengebissenen Zähnen: »Tut mir leid«, und griff sich ein Bündel Servietten.
Sie hätte damit rechnen müssen. Sie halte damit gerechnet; sie wusste, dass Quinn mit dieser Sache zu tun haben musste. Aber irgendwie hatte die
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