Night World - Prinz des Schattenreichs - Night World - Black Dawn
auszuweichen.
»Nichts«, erwiderte Maggie. »Es ist nur... du bist ziemlich nett, nicht wahr? Unter der Oberfläche.«
»Ich sorge zuerst für mich selbst. Das ist die Regel hier. Und vergiss das ja nicht«, murmelte Jeanne drohend. Dann fluchte sie, als sie mit dem Fuß in einer aufgeweichten Stelle des Waldbodens versank.
»Okay«, sagte Maggie. Aber noch immer umspielte ein schiefes, nachdenkliches Lächeln ihre Mundwinkel.
Keines der beiden Mädchen hatte danach noch genug Luft, um zu reden. Maggie befand sich vor lauter Müdigkeit in einer Art Dämmerzustand, der jedoch nicht völlig unangenehm war. Ihre Gedanken schweiften ab.
Delos... Sie war noch nie jemandem begegnet, der so verwirrend war. Ihr ganzer Körper reagierte auf den bloßen
Gedanken an ihn mit Enttäuschung und Ärger und einer Sehnsucht, die sie nicht verstand. Es war wie ein körperlicher Stich.
Aber andererseits war alles so verwirrend. Seit letzter Nacht waren die Dinge in einem solchen Tempo geschehen, dass sie keine Zeit gehabt hatte, ihr inneres Gleichgewicht wiederzufinden. Delos und das unglaubliche Ereignis zwischen ihnen waren nur ein Teil des ganzen Durcheinanders.
Er hat gesagt, er habe Miles getötet...
Aber das konnte nicht wahr sein. Miles konnte nicht tot sein. Und Delos war zu etwas Derartigem gar nicht fähig...
Oder vielleicht doch?
Sie stellte fest, dass sie nicht weiter darüber nachdenken wollte. Es war wie eine riesige, dunkle Wolke, in die sie nicht vorstoßen wollte.
Wo immer Jeanne sie auch hinbrachte, es war ein langer, kalter Marsch. Und ein schmerzhafter. Nach etwa fünfzehn Minuten fühlten Maggies Arme sich so an, als würden sie ihr aus den Schultern gerissen, und in ihrem Nacken flammte heißer Schmerz auf. Klebriger Schweiß rann ihr über den Rücken, und ihre Füße waren taub.
Aber sie würde nicht aufgeben, und Jeanne würde es ebenfalls nicht tun. Also blieben sie in Bewegung. Sie waren vielleicht fünfundvierzig Minuten mit kurzen Pausen gegangen, als Jeanne erklärte: »Hier ist es.«
Vor ihnen öffnete sich eine Lichtung, und der Mond
schien auf einen primitiven kleinen Unterstand aus verwittertem Holz. Er neigte sich gefährlich zu einer Seite, und mehrere Bretter fehlten, aber er hatte eine Decke und Wände. Es war eine Zuflucht. Für Maggie sah er wunderschön aus.
»Den haben entlaufene Sklaven gebaut«, sagte Jeanne atemlos, während sie die letzten Schritte auf die Hütte zu machten. »Die Nachtwesen haben sie natürlich zur Strecke gebracht, aber diese Hütte haben sie nicht gefunden. Alle Sklaven in der Burg wissen davon.« Dann rief sie eine Spur lauter: »Ich bin’s! Mach die Tür auf!«
Es folgte eine lange Pause, dann hörten sie, wie ein Holzriegel zur Seite geschoben wurde, und die Tür wurde geöffnet. Maggie konnte den bleichen Klecks eines kleinen Gesichtes erkennen. P. J. Penobscot mit ihrer rot karierten Baseballmütze, die ihr immer noch verkehrt herum auf dem Kopf saß, und ihrem zierlichen, angespannten Körper blinzelte sie mit schläfrigen, angstvollen Augen an.
Dann wurde ihr Blick klar, und ihre Miene veränderte sich.
»Maggie! Es geht dir gut!« Sie warf sich wie ein kleiner Wurfspeer auf Maggie.
»Au -he!« Maggie taumelte, und Cadys schlaffer Körper kippte gefährlich zur Seite.
»Ich freue mich auch, dich zu sehen«, sagte Maggie. Zu ihrer eigenen Überraschung musste sie gegen Tränen anblinzeln. »Aber ich muss dieses Mädchen hinlegen, oder ich werde sie fallen lassen.«
»Bring sie nach hinten«, sagte Jeanne. Der hintere Teil der Hütte war mit Stroh ausgelegt. Sie und Maggie betteten Arcadia auf das Stroh, dann umarmte P. J. Maggie noch mal.
»Du hast uns da rausgebracht. Wir sind entkommen«, erklärte P.J., während sie ihr scharfes kleines Kinn in Maggies Schulter bohrte.
Maggie drückte sie. »Nun - wir sind alle entkommen, und Jeanne hat dir geholfen. Aber ich bin froh, dass alle es geschafft haben.«
»Ist sie... in Ordnung?« P.J. trat einen Schritt zurück und blickte auf Arcadia hinab.
»Das weiß ich nicht.« Cadys Stirn fühlte sich heiß an unter Maggies Hand, und ihr Atem ging regelmäßig, wies aber einen rauen, pfeifenden Unterton auf, der Maggie nicht gefiel.
»Hier ist eine Decke«, sagte Jeanne und zog einen schweren, unglaublich groben Stoff hervor. Das Tuch schien so groß zu sein wie ein Segel und war so steif, dass es sich kaum falten ließ. »Wenn wir uns alle darunter zusammenkauern, können wir warm bleiben.«
Sie
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