Night World - Retter der Nacht
waren grünblau wie der tropische Ozean. Sie wechseln wirklich die Farbe, dachte sie erstaunt.
»Es ist nicht deine Schuld«, sagte er.
»Was?«
Es ist nicht deine Schuld, dass du deine Gedanken nicht abschirmen kannst. Du wirst das noch lernen, sagte Ash, ohne den Mund zu bewegen. Ihr fiel erst gar nicht auf, dass er nicht laut sprach und sie ihn nur in ihrem Kopf hörte.
So ein Mist, dachte sie. Ich hätte mich darauf konzentrieren sollen, meine Gedanken zu verbergen. Sie versuchte, es jetzt nachzuholen.
»Spar dir die Mühe. Ich weiß, dass du keine Lamia bist. Du bist verwandelt worden, und zwar gegen das Gesetz. James war ein sehr böser Junge.«
Da es keinen Zweck hatte, etwas abzuleugnen, hob Poppy das Kinn und sah ihn herausfordernd an. »So, du weißt es also. Und was wirst du jetzt unternehmen?«
»Das hängt davon ab.«
»Wovon?«
Er lächelte. »Von dir.«
KAPTITEL VIERZEHN
»Ich mag James«, fuhr Ash fort. »Er hat zwar manchmal ein zu weiches Herz, aber niemand ist unfehlbar. Ich möchte nicht, dass er in Schwierigkeiten gerät.«
Poppy fühlte sich wie in der vergangenen Nacht, als ihr Körper nicht genug Sauerstoff bekommen hatte. Sie war wie erstarrt und konnte kaum atmen.
»Ich meine, du möchtest doch nicht, dass er stirbt?«, fuhr Ash fort, als wäre die Frage ganz selbstverständlich.
Poppy schüttelte den Kopf.
»Na also.«
Endlich bekam sie wieder Luft. »Was willst du damit sagen?« Ohne auf seine Antwort zu warten, fuhr sie fort: »Sie werden ihn töten, wenn sie die Sache mit mir herausbekommen. Aber das müssen sie ja nicht. Es sei denn, du verrätst uns.«
Ash musterte nachdenklich seine Fingernägel. Er machte ein Gesicht, als wäre die ganze Sache für ihn ebenso schmerzlich wie für sie. »Gehen wir mal die Tatsachen durch. Du warst früher ein Mensch.«
»Oh ja, ich war auch eine von dem Rattengesindel«, fauchte sie ihn an.
Er schenkte ihr einen merkwürdigen Blick. »Nimm
mein Gerede nicht so ernst. Nur was du jetzt bist, zählt. Aber James hat dich nun einmal umgewandelt, ohne es mit jemandem abzusprechen. Und er hat das Geheimnis gelüftet und dir von der Nachtwelt erzählt, bevor er dich zum Vampir gemacht hat. Stimmt’s?«
»Woher willst du das wissen? Vielleicht hat er mich umgewandelt, ohne mir etwas zu verraten.«
Er drohte ihr mit dem Finger. »Aber nein. So etwas würde James nie tun. Er ist nämlich der Ansicht, dass Menschen einen freien Willen besitzen.«
»Wenn du das alles schon weißt, warum fragst du mich dann noch?«, rief Poppy angespannt.
»Es ist nun einmal Tatsache, dass er mindestens zwei schwere Verbrechen begangen hat. Drei, würde ich wetten.« Er schenkte ihr wieder sein strahlendes Lächeln. »Er muss in dich verliebt gewesen sein, um das alles zu tun.«
Etwas schwoll in Poppy an, als sei ein kleiner Vogel in ihrem Brustkorb gefangen, der sich befreien wollte. »Wie könnt ihr nur Gesetze erlassen, die verbieten, dass sich jemand verliebt? Das ist doch Wahnsinn«, stieß sie hervor.
»Aber verstehst du denn nicht, warum? Du bist doch das perfekte Beispiel. Aus Liebe hat James dir von seiner Welt erzählt und dich umgewandelt. Wenn er so schlau gewesen wäre, seine Gefühle für dich von Anfang an zu unterdrücken, wäre das alles nicht passiert.«
»Was ist, wenn man seiner Gefühle nicht Herr wird? Du kannst niemanden dazu zwingen, nichts mehr zu fühlen.«
»Natürlich nicht.« Ash war plötzlich wieder sehr nachdenklich, als hätte er diese Erfahrung bereits selbst gemacht. Dann lächelte er Poppy an. »Ich werde dir ein Geheimnis verraten. Die Ältesten wissen, dass sie keine Gesetze erlassen können, die Gefühle verbieten. Aber sie können dir so viel Angst einjagen, dass du es nicht mehr wagst, deine Gefühle zu zeigen - und sie dir im Idealfall nicht einmal selbst eingestehst. Dabei spielt die Ehre der Familie eine sehr große Rolle. Was du tust, fällt auf deine ganze Familie zurück. Wir Redferns haben einige Erfahrung damit. James scheint das in deinem Fall völlig vergessen zu haben.«
Poppy lehnte sich an die Wand. Sie war noch nie so sehr in die Klemme geraten. Die Unterhaltung mit Ash machte sie ganz schwindlig. Sie kam sich so schrecklich jung und dumm vor.
Sie machte eine verlorene und hilflose Handbewegung. »Aber was soll ich tun? Ich kann das Geschehene nicht mehr ändern …«
»Nein, aber du kannst jetzt, in der Gegenwart, handeln.« Er sprang geschmeidig auf die Füße und begann, im Zimmer auf- und
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