Nightschool. Du darfst keinem trauen
nicht dein Ernst, Jules.« Sie stand auf und lief betont genervt an der Vertrauensschülerin vorbei. »Das langweilt echt.«
Worum’s da wohl geht? , fragte sich Allie und sah den beiden hinterher.
Die Jüngerin – Ismay, wie Allie nun wusste – ging direkt hinter Katie, gefolgt von Jo.
Allie wäre am liebsten ins Zimmer gestürzt und hätte von ihrer ehemals besten Freundin eine Erklärung verlangt. Doch sie blieb, wo sie war. Sobald die Mädchen verschwunden waren, huschte sie am Fenster vorbei. Ein paar Sekunden später kletterte sie schon über das Dach zum Hauptgebäude und rutschte dann auf der anderen Seite wieder herunter.
Das Fenster stand offen. Carter saß am Schreibtisch und arbeitete. Er bemerkte sie nicht gleich.
Sie betrachtete sein Gesicht, ließ seine helle Haut und die dunklen, glatten, leicht verwuschelten Haare auf sich wirken. Seine langen Wimpern, die federige Schatten auf seine Wangen warfen. Ihr gefielen seine Hände – die Finger lang und kräftig, die Nägel gepflegt.
Sie fühlte eine unerwartete Wärme durch ihren Körper strömen.
Er ist schon süß.
Als hätte er ihre Gedanken gehört, sah Carter auf, und ihre Blicke begegneten sich.
Er stieß einen entsetzten Schrei aus und sprang so schnell auf, dass sein Stuhl umfiel. Allie versuchte, nicht laut loszukichern, als er langsam an seinen Schreibtisch zurückkehrte und aus dem Fenster guckte.
»Allie?« Er sah gleichermaßen verlegen wie sauer aus, wobei sie vermutete, dass Letzteres wohl nur Ersteres überspielen sollte. »Was machst du denn …?«
»Hi«, flüsterte sie. »Ich kann nicht schlafen. Willst du rauskommen und mit mir spielen?«
»Spinnst du? Komm rein, bevor du dich zu Tode stürzt.«
Während sie noch über seinen Schreibtisch kletterte, fing sie schon zu zetern an: »Katie ist so eine Drecksschlampe.«
Carter zog die Augenbrauen hoch. »Unbestritten.«
»Du verstehst mich nicht.« Allie tigerte durch das Zimmer. »Ich hab sie durchs Fenster belauscht. Sie will uns beide ›fertigmachen‹, weil sie uns hasst, und sie hetzt Jo gegen mich auf, indem sie mir unterstellt, ich hätte auf dem Dach versucht, Jo umzubringen. Ich glaube, sie steckt auch hinter diesen schrecklichen Gerüchten über Ruths Tod.«
Während sie immer weiterzeterte, schloss Carter hinter ihr das Fenster. Dann nahm er einen Holzstuhl, klemmte ihn unter die Türklinke und testete, ob die Sperre hielt.
Schließlich wandte er sich Allie wieder zu. »Was genau hast du gehört?«
Sie erzählte ihm, was an jenem Morgen passiert war – die Geschichte mit Katie und ihren Freundinnen – und wie Rachel schon um sieben Uhr morgens den ganzen Klatsch gekannt hatte. Carters Augen wurden schmal, als sie ihm von Sylvains Intervention berichtete, doch er sagte nichts. Als sie ihm erzählte, was sich in Katies Zimmer abgespielt hatte, verdüsterte sich seine Miene. Allie sah, dass er sich Mühe geben musste, ruhig zu bleiben.
»Okay, es gibt also zwei Möglichkeiten«, sagte er. »Entweder hat sie das erste Gerücht nicht verbreitet und nutzt es nur aus, um weitere Gerüchte über dich und Jo zu streuen. Oder sie hat das erste Gerücht verbreitet, und das neue Gerücht ist nur Teil ihres teuflischen Plans.« Er boxte sich mit der rechten Faust in die flache linke Hand. »Diese blöde Schicki-Micki-Kuh.«
»Was sollen wir jetzt machen?«, fragte Allie. Zum ersten Mal schenkte sie ihrer Umgebung Aufmerksamkeit. »Und wieso ist dein Zimmer größer als meins?«
Carter hatte zwei Bücherregale, während sie nur eines besaß, und in der Ecke war bei ihm noch Platz für einen Sessel. Wie bei ihr waren die Wände weiß gestrichen, doch alle Stoffe im Raum waren dunkelblau, sodass es mehr nach Jungszimmer aussah. Die Bücher in den Regalen waren vom vielen Lesen abgegriffen, und auf der Sitzfläche des Sessels thronte ein ramponierter Fußball. Sie deutete auf das ordentlich gemachte Bett, und Carter nickte, worauf sie sich setzte und die Beine ausstreckte.
»Ich bin schon länger da als du«, sagte Carter abwesend.
Er zog den Schreibtischstuhl heran und nahm ihr gegenüber Platz. »Diese Gerüchte sollen so viel Schaden wie möglich anrichten, bis du am Ende vielleicht freiwillig die Schule verlässt. Für mich fühlt sich das wie ’ne Kampagne an. Die wollen dich loswerden.«
Allie rutschte zur Bettkante vor, bis ihre Knie beinahe seine berührten.
»Okay, Carter. Schluss jetzt mit der blöden Geheimniskrämerei. Es ist höchste Zeit, dass
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