Nightschool. Du darfst keinem trauen
nicht allen eine reinhauen. Also tat sie, als hätte sie nichts gehört, und ging weiter.
Als sie kurz darauf die Treppe vor der Schule hinunterging, begegnete ihr eine von Katies Freundinnen und machte einen weiten Bogen um sie, so als wäre Allie giftig.
»Krass«, sagte das Mädchen und musterte sie von oben bis unten, ehe sie davoneilte.
Allie reckte das Kinn und ging weiter. Der Rasen war voller Schüler, die in der Sonne lagen, und sie bildete sich ein, dass ringsum überall getuschelt und gelacht wurde, wenn sie vorbeikam. Es dauerte nicht lang, und sie rannte über den Rasen und in den Wald hinein.
Weg von ihnen allen.
Beim Gartenpavillon blieb sie stehen, um Atem zu holen. Er war vollkommen leer – niemand zu sehen. Sie setzte sich auf die Stufen, ließ den Kopf auf die Knie sinken und atmete langsam ein und aus, bis sie sich beruhigt hatte.
Wieso passiert das immer mir? Für kurze Zeit hatte sie gedacht, sie hätte einen Ort gefunden, wo sie einfach nur … sein konnte. Wo sie sicher war. Wo man sie mehr oder weniger akzeptierte.
Aber es ist immer dasselbe. Alle wenden sich gegen mich, alle lassen mich im Stich.
Sie wollte weinen, doch sie konnte nicht. Sie starrte in die Bäume und dachte an Christopher. Er war nicht einfach nur gegangen. Zunächst einmal hatte er sie ausgeschlossen. Sie behandelt, als würde mit ihr irgendetwas nicht stimmen. Als ob er sie nicht mehr lieben würde.
Und jetzt passierte ihr das schon wieder. Nur, dass sie diesmal alle so behandelten.
Fast alle.
Carter blieb ihr ja noch. Und vielleicht sollte sie auch Rachel vertrauen. Sie hatte so etwas Grundanständiges an sich. Und vorläufig hatte sie auch immer noch Lisa. Und vielleicht sogar Lucas.
Also … war sie diesmal gar nicht so allein.
Nach einer Weile merkte sie, dass sie einen Riesenhunger hatte. Sie breitete die Decke aus, setzte sich auf die Lichtung vor dem Pavillon und aß ihre belegten Brote – in der warmen Sonne und völlig allein. Niemand tuschelte, niemand lachte, niemand benahm sich daneben. Danach streckte sie sich aus und legte den Kopf auf ihre Büchertasche. Binnen Minuten war sie eingeschlafen.
Als sie aufwachte, stand die Sonne schon deutlich tiefer, und sie lag nun im Schatten, wo es rasch kühler wurde.
Sie packte ihre Sachen und ging mit einigem Widerstreben zurück Richtung Schule. Der friedvolle Nachmittag war so angenehm gewesen, sie hatte keine Lust, sich schon wieder mit ihrer Situation auseinanderzusetzen.
Bei ihrer Rückkehr merkte sie, dass es wohl schon später war, als sie gedacht hatte – auf dem Rasen räkelten sich keine sonnenbadenden Schüler mehr, und im Flur konnte sie bereits das Stimmengewirr aus dem Speisesaal hören. Es musste schon nach sieben sein, alle waren beim Essen.
Sie stieg die Treppe zu ihrem Zimmer nach oben und spürte ein schmerzhaftes Ziehen im Magen. Hunger. Dann fiel ihr ein, dass sie in weiser Voraussicht ein Sandwich und ein paar Kekse fürs Abendessen beiseitegelegt hatte.
Bis morgen früh muss ich keinen sehen.
Sie wusste, dass sie sich feige verhielt, doch das war ihr egal.
Mit fortschreitendem Abend traten die Schönheitsfehler ihres Plans zutage. Seit dem Morgen hatte sie mit keinem Menschen mehr gesprochen. Sie besaß weder Fernseher noch Computer oder Videospiele. Sie hatte den ganzen Tag gelesen oder geschlafen. Um halb zwölf saß sie auf ihrem Schreibtisch und starrte aus dem offenen Fenster – hellwach und zu Tode gelangweilt.
Auf Zelaznys barschen Ruf »Nachtruhe!« hatte im Flur vor ihrer Tür Getrappel und leises Stimmengewirr eingesetzt. Die Schüler kehrten von den Rasenspielen in ihre Zimmer zurück, in denen die Lichter angingen.
Allie rutschte über den Schreibtisch zum Fenstersims und kletterte auf den Mauervorsprung, diesmal weniger ängstlich als beim letzten Mal. Ihr Rock flatterte im kühlen Wind. Sie musste nur dem Weg folgen, den Carter ihr am Wochenende zuvor gezeigt hatte: an ein paar Fenstern vorbei bis zu der Stelle, an der das Dach sanft anstieg und sie sich hochziehen und sicher über den Dachfirst zum Hauptgebäude laufen konnte, wo eine ähnlich abfallende Stelle einen natürlichen Übergang zu dem Mauervorsprung bildete, der an den Fenstern des Jungstrakts vorbeiführte.
Doch manche Schülerinnen waren noch auf – aus den beiden Fenstern, an denen sie vorbeimusste, ehe sie die relative Sicherheit des Dachs erreicht hatte, fiel noch Licht.
Beim ersten Zimmer angelangt, spähte sie vorsichtig um die
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