Nightschool. Du darfst keinem trauen
du Zeit hast. Wenn sie dich nicht ins Verlies schmeißt oder so was.«
»Na, vielen Dank«, sagte Allie und packte ihre Sachen. »Würd mich nicht wundern, wenn sich jetzt noch rausstellen sollte, dass es hier ein Verlies gibt.«
Isabelles Büro war unbesetzt, als Allie eintraf, doch die Tür stand auf, weshalb sie sich in einen der Sessel setzte. Während sie wartete, blickte sie nervös umher, als ob sie immer noch etwas entdecken könnte, das Carter und sie bei ihrem nächtlichen Besuch nicht wieder an seinen richtigen Ort gestellt hatten und das sie hätte verraten können.
Ein paar Minuten später spazierte Isabelle herein. Sie hatte sich die Brille ins Haar geschoben und wirkte etwas fahrig.
»Möchtest du einen Tee?«, fragte sie und schaltete einen Wasserkocher ein, der auf einem kleinen Kühlschrank in der Ecke stand. »Ich brauch jetzt jedenfalls unbedingt einen.«
»Gern«, erwiderte Allie höflich, obwohl ihr eigentlich nicht nach Tee war.
Während der Wasserkocher langsam zu Leben erwachte, versuchte Isabelle, eine zweite Tasse aufzutreiben, die sauber war. Als der Tee fertig war, reichte die Rektorin ihr eine Tasse und achtete dabei darauf, den Henkel so zu drehen, dass sie sich nicht verbrannte. Dann sank sie in den Sessel neben Allie.
»Schon besser.« Sie nippte nachdenklich an ihrem Tee und richtete dann den Blick auf Allie. »Es gibt nichts in der Welt, das durch eine Tasse Tee nicht noch besser würde. Danke, dass du gekommen bist, Allie. Ich möchte dich gar nicht allzu lange vom Lernen abhalten. Aber da das Trimester ja schon am Freitag zu Ende geht, wollte ich dich vorher noch mal sehen und hören, wie’s dir geht. Du bist jetzt sechs Wochen da, hattest also etwas Zeit, dich einzugewöhnen. Ich weiß, dass das kein gewöhnliches Trimester war, und ich dachte, vielleicht möchtest du dich ja über irgendetwas aussprechen.«
Einen Augenblick lang war Allie sprachlos.
Machst du Witze?
Isabelle sah sie erwartungsvoll an, und Allie wusste, sie musste jetzt etwas sagen.
Was soll ich jetzt sagen? »Nun, der Mord hat mich ein wenig aus der Fassung gebracht und der Brand etwas beunruhigt. Ich bin beinahe vergewaltigt worden, und meine ehemals beste Freundin ist durchgedreht. Aber hey, wenigstens kriege ich eine Eins in Geschichte«?
»Okay …«, sagte sie vorsichtig.
Sie überlegte, ob ihr etwas weniger Sarkastisches einfiel, doch ihr Kopf war voll mit Dingen, über die sie nicht sprechen konnte – Dinge, die sie eigentlich gar nicht wissen durfte. Und ihr war klar, dass Isabelle nicht daran interessiert war, wie es ihr mit Biologie ging oder warum sie letzte Woche ihre Hausarbeit zu spät abgegeben hatte.
Als sich Allies Schweigen immer weiter verdichtete, hob Isabelle eine Augenbraue und warf ihr ein rettendes Stichwort zu. »Du hattest ja schon länger keine Panikattacken mehr, wie ich höre. Das ist doch schon mal ein Fortschritt.«
Bis dato war es Allie gar nicht aufgefallen, wie viel Zeit seit ihrer letzten Attacke vergangen war – schon über zwei Wochen! Und jetzt, wo sie darüber nachdachte: Mit dem Zählen hatte sie auch weitgehend aufgehört.
»Stimmt«, gab sie zu. »Ich raste wohl nicht mehr so schnell aus wie früher.«
Isabelle lächelte. »Na ja, es war ja auch ganz schön stressig hier. Aber ich habe das Gefühl, du kannst jetzt viel besser mit Stress umgehen. Das freut mich sehr.« Sie setzte ihre Tasse ab. »Was Jo und dich angeht …«
Allie zuckte zusammen. Auf dieses Thema hatte sie nun wirklich keine Lust.
»Mir ist aufgefallen, dass ihr nicht mehr so eng seid wie früher. Woran liegt das?«
Zögernd erzählte Allie ihr in Grundzügen, was geschehen war. Bestürzt schloss Isabelle ihre goldbraunen Augen und hörte zu.
»Ich rede mit Jo«, sagte sie, als Allie zu Ende gesprochen hatte. »Sie macht auch gerade eine schwierige Zeit durch. Du wirst also etwas Geduld mit ihr haben müssen. Aber ich weiß, dass ihr die Freundschaft zu dir wichtig ist.«
»Wichtig war«, brummte Allie, mit Betonung auf dem zweiten Wort.
»Und wieder wichtig sein wird«, sagte Isabelle zuversichtlich. »Wenn du Geduld mit ihr hast.«
Sie nahm die Tasse wieder in die Hand. »Katies kleine Hetzkampagne ist ein anderes Thema, um das ich mich kümmern werde. Ich weiß, Jules hat mir dir gesprochen – und es tut mir leid, dass ich es nicht früher geschafft habe. Ich hatte einfach zu viel zu tun. Aber nur, damit du Bescheid weißt: Jules hat mir jeden Tag Bericht erstattet und
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