Nightschool. Du darfst keinem trauen
sich bei Katie für dich eingesetzt.«
Isabelle nahm einen Schluck. »Du warst wirklich erstaunlich geduldig mit ihr, aber ich glaube, wir sind jetzt an dem Punkt angelangt, wo ich ernsthaft überlegen muss, ob sie auf Cimmeria bleiben kann, wenn sie nicht aufhört. Sie kennt die Regeln ganz genau – und das gilt auch für ihre Eltern. Ich habe ihnen einen Brief deswegen geschrieben, und sie haben mir bis jetzt nicht geantwortet. Sie kriegt heute ihre letzte Warnung von mir. Ich weiß deine Zurückhaltung wirklich zu schätzen.«
»Seien Sie vorsichtig!«, entfuhr es Allie, ehe sie sich stoppen konnte.
Die Rektorin sah sie neugierig an. Allie geriet ins Stottern: »Ich meine … Sind ihre Eltern nicht im Aufsichtsrat? Ich glaub, die sind ziemlich mächtig. Sie gibt jedenfalls immer damit an. Die möchte man …, na ja, nicht gerade zum Feind haben …, glaube ich. Also, wenn die so sind wie sie.«
Isabelle lehnte sich vor. »Lieb von dir, dass du dir solche Sorgen um mich machst, Allie. Aber keine Angst – ich pass schon auf.«
Sie begaben sich auf sichereres Terrain und redeten ein paar Minuten über Allies schulischen Leistungen. Isabelle lobte ihren Einsatz und verwies darauf, dass sich all ihre Noten stetig verbessert hätten. Selbst Zelazny habe ihren Aufsatz über den Englischen Bürgerkrieg sehr gelobt.
»Was mich noch beschäftigt, ist eigentlich nur, wie es jetzt weitergeht«, sagte sie schließlich.
»Was meinen Sie damit?«, fragte Allie verdutzt.
»Seit du hier bist, habe ich oft mit deiner Mutter telefoniert. Sie macht sich Sorgen um dich. Die beiden vermissen dich.«
Allies Augen brannten sofort. Sie kämpfte gegen die Tränen an. Wieso tut das so weh? Sie hatte es vermieden, sich bei ihren Eltern zu melden, weil sie so wütend auf sie war. Aber wieso sie sich nicht bei ihr gemeldet hatten, dafür hatte sie keine Erklärung.
Gleichzeitig fühlte sie sich verraten – aufgrund der Dinge, die sie in ihrer Schülerakte gefunden hatte. Isabelle kannte ihre Mutter gut und hatte es ihr nie erzählt. Wenn ihre Eltern sie verraten hatten, indem sie ihr nicht die Wahrheit gesagt hatten, hatte Isabelle sie dann nicht auch verraten? Hatten sie Allie nicht alle angelogen?
Vielleicht war es jetzt an der Zeit, mit der Wahrheit herauszurücken.
»Kennen Sie meine Eltern eigentlich gut?«, fragte sie.
Isabelles Gesichtsausdruck änderte sich schlagartig. Ihr ganzer Körper stand plötzlich unter Spannung.
»Wieso willst du das wissen?«, fragte sie vorsichtig.
»Meine Mutter hat auf der Fahrt hierher was gesagt, was mich beschäftigt«, log Allie. »Sie hat aus Versehen einmal ›Izzy‹ gesagt und sich dann verbessert. So, als ob sie Sie kennen würde. Und dann haben Katie und Jo was erzählt vom Schuladel – von wegen, dass hier nur Leute sind, deren Familien schon seit Generationen auf diese Schule gehen. Und deswegen habe ich mich gefragt, wieso ich dann hier bin, wenn nicht aus demselben Grund.« Sie starrte die Rektorin eindringlich an. »Gehöre ich auch zum Schuladel, Isabelle?«
Man sah Isabelles Gesicht an, dass sie von Gefühlen übermannt wurde, und sie zögerte einen Moment zu lange mit ihrer Antwort – die letztlich aber ganz schlicht ausfiel:
»Ja, Allie. Du gehörst zum Schuladel. Und wie!«
Siebenundzwanzig
Nach dem Besuch in Isabelles Büro musste Allie sich erst einmal kaltes Wasser ins Gesicht spritzen, ehe sie in die Bibliothek zurückkehrte. Als sie sich setzte, sah Rachel sie fragend an.
»War das Verlies besetzt, oder was?«, fragte sie mit einem spöttischen Lächeln. Doch als sie Allies gerötetes Gesicht bemerkte, wurde sie rasch wieder ernst. »He, was ist los?«
Allie lächelte matt. »Ach, nichts. Ist nur unerwarteterweise in eine Therapiesitzung ausgeartet.«
»Das kann ich ja leiden, wenn einen die Therapie so hinterrücks anfällt«, flachste Rachel, doch ihr Blick wirkte besorgt. »Möchtest du eine Pause machen und drüber reden?«
Ihr Mitgefühl löste bei Allie neue Traurigkeit aus, doch sie nickte nur. Sie wollte nicht vor allen Leuten anfangen zu heulen.
Rachel führte sie zu einer stillen Nische im Flur vor der Bibliothek und ging dann noch mal los, um Taschentücher zu holen. Kurz darauf kam sie mit einer Box Kosmetiktücher und zwei Tassen Tee zurück.
»So, und jetzt erzähl mal«, sagte sie, während sie sich setzte. »Zumindest das, was du mir erzählen möchtest.«
Allie setzte zu sprechen an, hielt dann aber inne. Wenn heute der Tag
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