Nightschool. Du darfst keinem trauen
entsetzlich.«
»Ich weiß, dass es entsetzlich ist.« Er strich sich eine Träne von der Wange und wich ihrem Blick aus. »Aber es ist auch wahr.«
Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, und musterte ihn besorgt.
»Mir geht’s gut, das weißt du.«
»Ich weiß.«
»Dann lass uns nicht durchdrehen, ja? Freuen wir uns doch, dass uns beiden nichts fehlt.« Sie nahm seine Hand und hielt sie sich an die Wange. »Ich bin so froh, dass dir nichts passiert ist.«
Statt einer Antwort nahm er sie in die Arme.
»Carter und Allie retten die Welt«, flüsterte sie.
Am Nachmittag brachte Rachel Allie einen Rock und eine Bluse, die nach Lagerfeuer stanken.
»Ich durfte drei Sekunden lang in den Schlaftrakt und hab diese Sachen aus deinem Kleiderschrank mitgehen lassen«, sagte sie. »Tut mir leid wegen des Gestanks.«
»Keine Sorge«, antwortete Allie. »Ich freu mich so darauf, dass ich endlich aus diesem verschmurgelten Schlafanzug rauskomme.«
»Morgen dürfen wir rauf und unsere Sachen holen, haben sie gesagt. Unter Aufsicht natürlich.«
»Natürlich«, echote Allie spöttisch. »Gesundheit und Sicherheit gehen vor.«
»Heute und morgen fahren alle nach Hause. Ich werde morgen früh von meinem Dad abgeholt«, fuhr Rachel fort. »Das Angebot steht noch: Wenn du möchtest, kannst du mit zu uns kommen.«
»Danke, Rachel«, sagte Allie. »Kann sein, dass ich irgendwann drauf zurückkomme.«
Nachdem sie im Lehrertrakt geduscht und sich den Ruß aus dem Haar geschrubbt hatte, fühlte Allie sich wieder wie ein Mensch. Leider hatte Rachel vergessen, ihr die Schuhe mitzubringen, weshalb Allie barfuß zu Isabelles Büro hinunterlaufen musste.
Kaum hatte sie angeklopft, ging auch schon die Tür auf, und Isabelle schloss sie fest in die Arme. Dann hielt sie sie auf Armeslänge von sich und musterte ihr Gesicht.
»Alles in Ordnung?«
»Ich glaube schon«, flüsterte Allie.
»Komm rein und setz dich«, lud Isabelle sie ein.
»Wie geht es Jo?«, fragte Allie sofort.
»Nicht gut«, antwortete Isabelle und setzte sich neben sie, während im Hintergrund der Teekessel rumorte. »Sie ist völlig durcheinander, verständlicherweise.«
Allie zögerte. Sie konnte sich nicht dazu durchringen, die nächste Frage zu stellen.
»Und Gabe?«, wisperte sie schließlich.
Isabelle schüttelte den Kopf. »Er ist verschwunden. Zelazny und Matthew haben überall nach ihm gesucht, aber er war nicht mehr da. Wir nehmen an, dass er gestern Abend während des Feuers fort ist.«
Allie war nicht überrascht. Sie holte tief Luft.
»Und … was geschieht jetzt?«
»Wir werden nach ihm suchen.« Isabelle war aufgestanden und beschäftigte sich mit dem Tee. »Wir werden seine Eltern informieren. Und wir werden dafür sorgen, dass er in Sicherheit ist. Auch um Jo werden wir uns kümmern. Und dann werden wir uns Gedanken machen, wie wir mit Nathaniel verfahren.«
»Ich würde gern helfen«, sagte Allie.
»Das wirst du auch«, antwortete Isabelle. »Ich verspreche es.«
»Nein, Isabelle«, erwiderte Allie bestimmt. »Ich meinte, ich möchte helfen . Ich möchte in Zukunft an allem beteiligt sein.«
Die Rektorin sah sie ausdrucklos an, und Allie versuchte, möglichst nichts von ihrer Frustration und Anspannung durchklingen zu lassen, als sie weitersprach. Der Zeitpunkt war gekommen, an dem sie wie eine Erwachsene handeln musste.
»Ich stecke mittendrin in dieser Sache. Gabe hatte recht, es geht um mich. Nathaniel hat sich Christopher geschnappt, und jetzt will er mich auch noch kriegen. Das ist es doch, oder? Das ganze Trimester über haben irgendwelche Leute mich gerettet, in Sicherheit gebracht oder unterstützt, und alle wollen mich beschützen, was wirklich toll ist und wofür ich auch sehr dankbar bin. Aber ich will mich selbst beschützen. Im Moment kann ich das nur nicht, weil ich nicht weiß, wie.« Sie versuchte, nicht nervös zu wirken. »Es gibt allerdings einen Ort, an dem ich die Fähigkeiten dazu erwerben könnte.«
Jetzt dämmerte es Isabelle langsam. »Du willst in die Night School?«
»Das liegt doch wohl auf der Hand, oder?« Allie schlang die Arme um ihren Oberkörper. »Ich muss stärker und schneller werden. Ich muss lernen, wie man kämpft. Und ich muss erfahren, worum es geht, damit ich die richtigen Dinge tue. Ich werde nie auf dich hören, wenn du sagst: ›Geh nicht nach draußen, Allie.‹ Aber wenn du mich in die Dinge einweihst …, sähe die Sache bestimmt anders aus.«
Sie schwiegen, während Isabelle
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