Nightshifted
â¦
»Niemals«, flüsterte ich. Dann stürzte ich zu meinem
Medizineimer, zerrte ihn aus dem Bad und wühlte hektisch darin herum, bis ich
eine Insulinspritze fand. Diabetikermedikamente wurden in winzigen Mengen
verabreicht, die Einheiten waren so klein, dass man sich immer dämlich vorkam,
wenn man sie von einer zweiten Schwester gegenchecken lieÃ. Ich drückte die
Spritze aus der Verpackung und riss mit den Zähnen die orangefarbene Kappe ab.
Voller Geistesgegenwart dachte ich daran, den Verschluss der Phiole mit einem
Alkoholtupfer abzuwischen, denn Gott allein wusste, was für eine Nadel Jake da
vor mir reingestochen hatte.
Ich durchbohrte den Verschluss und zog ganz langsam
das Papstwasser auf. Drei ganze Einheiten â in Zahlen 0,03 Milliliter. Fast
nichts. Es war so rein, dass ich mir nur mit Mühe klarmachen konnte, dass sich
in dieser Spritze überhaupt irgendetwas anderes als Luft befand.
Und was sollte ich jetzt damit anfangen? Ich hielt
die Spritze senkrecht in die Luft. Ich könnte es mir auf die Zunge träufeln.
Oder ⦠ich konnte das tun, wozu diese Spritze gedacht war. Ich packte einen
frischen Tupfer aus, hob mein Shirt an, wischte dicht am Nabel einmal über
meinen Bauch und schob mir die Nadel in die Haut, bevor ich es mir wieder
ausreden konnte. Anderen Leuten hatte ich schon Millionen Mal subkutane
Injektionen verpasst, aber das war das erste Mal, dass ich es bei mir selber
machte. Ich drückte auf den Kolben, dessen Bewegung ich kaum spürte, zog dann
die Nadel aus der Haut und wartete auf eine Reaktion.
Schmerz? Wärme? Bluterguss? Schwellung? Angestrengt
beobachtete ich den winzigen Einstich, hoffte auf irgendeine Art von Wirkung
und bekam nichts. Ich wusste nur deswegen, wo ich die Injektion bekommen hatte,
weil ich sie selbst gesetzt hatte â ich hätte die Stelle keinem anderen zeigen
können. Was, wenn man an den Papst glauben musste, damit Papstwasser überhaupt
wirkte? Ich lachte, aber selbst für mich klang es leicht hysterisch.
Ich schob die Sicherheitskappe auf die Spritze, um
die Nadel abzudecken, und warf sie dann in den Mülleimer. Potenziell
gefährliche Materialien wegzuwerfen, wurde langsam ein Hobby von mir. Plötzlich
sah ich mich im Badezimmerspiegel.
Verdammt, ich brauchte wirklich dringend eine Dusche.
Was ich noch dringender brauchte, würde ich natürlich nicht kriegen â eine
Verschnaufpause.
Kapitel 48
Â
Ich zog mich aus, lieÃ
meine Sachen einfach auf dem Boden liegen und stieg dann nur mit meinem Ausweis
am Hals in die Dusche.
Kalt- und Warmwasser
waren die einzigen Nebenkosten, die nicht bei jedem Mieter einzeln abgerechnet
wurden. Mit dieser Dusche würde ich dafür sorgen, dass meine letzte Monatsmiete
sich so richtig rentierte. Ich schrubbte mich und mein miefendes Schlüsselband
doppelt und dreifach ab. Dann blieb ich mit gesenktem Kopf stehen und lieà das
Wasser über mich hinwegrauschen. Es prasselte auf mein Gesicht und meinen
Oberkörper, bis meine Haut taub wurde und ich die Hitze nicht mehr spürte. Als
ich den Mund öffnete, um tief einzuatmen, teilte sich der Wasserschleier vor
mir â und statt Luft drang nur noch mehr Wasser in meinen Mund, bitteres,
widerliches Wasser. Als ich keuchend die Augen aufriss, waren die Wände meiner
Dusche verschwunden. Meine Lunge brannte, das Wasser, das ich eingeatmet hatte,
löste einen starken Hustenreiz in meiner Kehle aus, doch wenn ich hustete ⦠Ich
schaute hoch und sah keinerlei Licht. Ãberall nur endloser Ozean. Kein Boot,
kein Land, nur Salzwasser. Die Kälte war überall, sie bewegte sich im
Fahrwasser eines Wesens, das ich lieber nicht sehen wollte. Meine Augen
brannten, meine Kehle verkrampfte sich, und ich schwebte schwerelos in der
zähen Dunkelheit.
Da ich keine andere Wahl hatte, holte ich Luft. Ich
konnte spüren, wie die Kälte an meinen Wangen zerrte, sich brutal in mich
hineindrängte, in meinen Mund und durch meinen Hals kroch. Sie strömte in mich
hinein und durch mich hindurch, obwohl ich kämpfte und keuchte, bis schlieÃlich
das ganze Wasser um mich herum in mich floss und verschwand, als würde ich es
gegen meinen Willen einatmen und könnte einfach nicht aufhören. Dann fiel ich
in die Tiefe und landete in meiner Dusche, wo ich mich wie ein Fötus um den
Abfluss zusammenrollte.
Als ich mich wieder bewegen konnte, kroch ich aus der
Dusche und kotzte
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