Nightshifted
ich sie ohne zu zögern schälen.« Er lieà seine Sichel durch die
Luft zischen.
Ti zeigte mit dem Finger auf ihn. »Wenn du sie
anrührst, werde ich dich zerfetzen.«
»Aber nicht, bevor ich den verbliebenen Rest ihrer
Seele ausgeschält habe und eure Ãberreste verrotten lasse.«
Dren und Ti standen reglos da. Ich holte inzwischen
GroÃvater aus der Tasche und stellte ihn neben der Tür ab. »Pass auf Minnie
auf, okay? Wenn ich nicht bald wieder zurück bin, musst du genug Aufmerksamkeit
erregen, damit jemand kommt und sie nicht verhungert.« Er gab ein Geräusch von
sich, das in meinen Ohren zustimmend klang. Dann stand ich auf, strich mein
Shirt glatt und schaute zwischen Dren und Ti hin und her. »Wir müssen los.«
Dren wirbelte seine Sichel in einem Salut herum und
steckte sie dann wieder an seinen Gürtel, bevor er mir mit einer Hand
bedeutete, vorzugehen. »Selbstverständlich, meine Liebe. Vampire sollte man
nicht warten lassen.«
Dann gingen wir alle zusammen in die dunkelste Nacht
hinaus.
Kapitel 51
Â
»Ich hätte dir nie etwas
von Anna gesagt, wenn ich geahnt hätte, was ich damit auslöse«, murmelte Ti,
während er neben mir durch die Nacht lief. Der Spürhund schlurfte in seinem
massigen Watschelgang hinter mir her und blähte die Nüstern, während er
pausenlos meinen Geruch einsog.
»Tut mir leid.«
»Hör auf, dich ständig zu entschuldigen.«
Wir gingen immer weiter Seite an Seite durch die
Kälte, und am liebsten hätte ich Tis Hand gehalten. Seinen Schal hatte er
wieder hochgezogen. Ich streckte die behandschuhten Finger nach ihm aus, und
als mir einfiel, dass ich ja links von ihm ging und die Hand, die ich nun
hielt, wahrscheinlich gar nicht ihm gehörte, war es bereits zu spät.
Die meiste Zeit schwiegen wir. Es waren nur wenige
Leute auf den StraÃen unterwegs. Jedes Mal, wenn sie Dren sahen, schienen sie
einen Bogen um ihn zu machen, manchmal wichen sie sogar im 90-Grad-Winkel zu
ihrem eigentlichen Weg aus. Blickkontakt mit dem Spürhund vermieden sie ganz
und gar, so als wäre der Spürhund zu schrecklich, um überhaupt zu existieren.
Ich konnte hören, wie hinter uns seine Krallen über das Pflaster schabten,
wodurch jeder Gedanke an Flucht zunichtegemacht wurde.
Ich hielt die ganze Zeit Tis Hand und versuchte nicht
daran zu denken, wo sie wohl hergekommen war. Dabei kam ich mir vor wie der
Star in irgendeinem billigen Horrorstreifen, bei dem der Eindringling sich
bereits im eigenen Haus befindet â nur in meinem Fall war er im Inneren meines
Freundes.
Als wir die Schnellbahn erreichten, gingen wir die
Treppe hinunter, wobei der Spürhund uns zunächst unbeholfen folgte, um
schlieÃlich mit einem Sprung an uns vorbeizufliegen und auf dem Bahnsteig unter
uns zu landen. Wir nahmen den nächsten Zug, obwohl bereits Leute darin waren.
Bei Drens Anblick standen die sitzenden Fahrgäste auf, und alle Anwesenden
drehten sich so um, dass sie uns den Rücken zuwandten. Wir stiegen ein, die
Türen schlossen sich, und der Zug setzte sich ratternd in Bewegung.
Erst da drehte ich mich zu Ti um und sah ihm ins
Gesicht. Gleichzeitig öffnete ich den Mund, um ihn nach dem »Wie« zu fragen.
Doch dann wurde mir klar, dass die Frage eigentlich »Wer?« lauten musste. Ich
schwenkte die Hand, die ich hielt, damit er wusste, worauf ich hinauswollte,
und überlegte mir, wie laut ich wohl schreien würde, falls sie jetzt abfiele.
»Ein Freund von mir ist bei der Polizei. Manchmal
helfe ich ihm dabei, gewisse Probleme zu lösen«, erklärte Ti langsam und mit
zischenden s-Lauten. Er, oder das, was von ihm übrig war, schaute auf die
reglose Hand, die ich immer noch hielt. »Die Nerven brauchen am längsten, um
nachzuwachsen.«
»Du ⦠hast heute einfach jemanden getötet? Für mich?«
»Ich habe ihn nicht getötet. Ich habe mir nur sein
Gesicht genommen und ihm einen Arm abgerissen.«
Ich blinzelte irritiert. »Soll ich mich dadurch jetzt
besser fühlen?«
»Er lebte noch, als ich gegangen bin«, fuhr Ti
achselzuckend fort. »Mit einem Arm wird es in Zukunft allerdings schwer für ihn
werden, weiter Meth zu kochen.«
Und er hielt Anna für grausam! Aber er durfte
jemandem das Gesicht abreiÃen, bloà weil er ein Drogenlabor führte? »Du bist
hier das Monster.«
Tis Körper verkrampfte sich
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