Nightshifted
dunkles Salzwasser auf den Badezimmerboden.
Kapitel 49
Â
Mein erster
stichhaltiger Gedanke war, dass ich mir zwar die Zähne putzen wollte,
gleichzeitig nun aber Angst davor hatte, den Wasserhahn aufzudrehen.
Mühsam zog ich mich an
meinem Handtuchhalter hoch und und trocknete mich zitternd ab. Mein
Dienstausweis lag in der Dusche, das Trageband hing halb im Ausfluss. Ich holte
ihn raus und knallte danach die Tür der Dusche zu. Dann legte ich ein zweites
Handtuch über das Durcheinander, das ich angerichtet hatte, und rannte aus dem
Bad.
Mit angezogenen Knien hockte ich mich aufs Bett und
presste die Hände vor den Mund. Mein Prozess war vergessen ⦠oder vielleicht
war er das auch schon, vielleicht hatte er schon begonnen.
Aus dem Nebenzimmer ertönten deutsche Worte, und mein
Handy klingelte. Ich holte es vom Nachttisch.
Vorsichtig prüfte ich die Nummer. Ti. Als ich ihn das
letzte Mal gesehen hatte, war sein halbes Gesicht verschwunden gewesen, aber â¦
»Ti, du wirst nicht glauben, was gerade â¦Â«
Eine weibliche Stimme unterbrach mich: »Edie? Hier
ist Rita, Madigans Frau.«
Das war auch wesentlich logischer. »Ja, stimmt. Wie
geht es Ti?«
»Tja ⦠weiÃt du ⦠Edie«, stammelte sie. »Meine
Familie geht als einigermaÃen normal durch. Wir sind gute Menschen, Edie. Du
warst bei uns, du weiÃt das doch, oder?«
Ich nickte in mein leeres Schlafzimmer hinein und
fragte mich, was ihre kleine Ansprache mit mir zu tun hatte. »Sicher. Rita, was
â¦Â«
»Und heute Nacht ist Neumond, Edie. Heute Nacht sind
wir alle normal, vollkommen menschlich. Was bedeutet, dass Madigan ihn nicht
aufhalten konnte. Wir hätten nichts tun können.«
Langsam kroch ich zur Bettkante vor. GroÃvaters
deutsche Ansprache wurde noch etwas lauter. »Wovon redest du, Rita?«
Es klingelte.
»Ich muss an die Tür gehen«, sagte ich und stand auf.
»Mach nicht auf, Edie«, bat Rita mich.
»Was?« Ich zog meinen Bademantel an und lief in den
Flur, um durch den Spion schauen zu können. Vor der Tür stand ein Mann mit
breiten Schultern, Hut und hochgezogenem Schal.
»Madigan wollte nicht, dass ich dich anrufe. Aber â¦
wir sitzen im selben Boot, Edie. Ich dachte mir, du solltest das wissen. Er hat
schreckliche Dinge getan, und du willst sicher nichts damit zu tun haben.«
Ti klopfte.
»Edie«, rief eine schleppende Stimme, die mir
irgendwie bekannt vorkam. »Lass mich rein, Edie.«
Der Mann vor der Tür schaute hoch. Ich erkannte seine
Augen. »Ich muss auflegen«, sagte ich zu Rita und beendete das Gespräch.
Kapitel 50
Â
»Bitte, Edie. Mach auf.«
Durch den Spion
beobachtete ich, wie er zu mir hereinschaute. Er sprach mit mir. Und eine Hand
verkrampfte sich, anscheinend aus Frustration, während die andere â die
eigentlich gar nicht da sein sollte â ruhig in einem Lederhandschuh steckte.
»Wieso kannst du sprechen?« Ich schloss die Augen und
drückte die Stirn gegen die Tür. Was sagte der Wolf noch gleich zu Rotkäppchen
über seine Zähne, als er so tat, als wäre er die GroÃmutter?
»Edie â¦Â«, begann Ti drauÃen wieder, seine Stimme war
immer noch schleppend. »Komm schon, Edie.«
»Nicht, bevor du mir nicht gesagt hast, warum du
sprechen kannst.« Ich konnte immer noch das Salz schmecken.
Etwas knallte von auÃen so heftig gegen die Tür, dass
sie im Rahmen wackelte und ich hastig zurücksprang. »Sie werden dich umbringen,
Edie. Wir müssen von hier verschwinden, sofort.«
Ich griff nach der Klinke und öffnete die Tür mit
vorgelegter Sicherheitskette, auch wenn die wahrscheinlich nicht viel bringen
würde. »Was ist mit dem Prozess?«
»Der ist eine Farce, Edie. Pack deine Sachen. Wir
brechen sofort auf. Wir müssen uns beeilen.«
Ich starrte auf das bisschen von ihm, das ich unter
dem Hut und über dem Schal sehen konnte, auf die vertrauten Augen, und fragte
mich gleichzeitig, was ich alles nicht sehen konnte. Diese Augen ⦠ich
erinnerte mich an sie. Wie sie mich durchdringend und ernst angesehen hatten,
als er mich mit seinem Körper abgeschirmt hatte.
»Bitte, Edie, wir müssen los.«
Ich schloss die Tür auf und rannte dann in mein
sicheres Schlafzimmer zurück. So schnell ich konnte zog ich mir etwas an und
zerrte meine gröÃte Tasche aus dem Schrank. Hastig warf
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