Nightshifted
Haltestelle entfernt, und als ich dort ankam, hatte ich mir
die Waden abgefroren, aber die Hitze im Klub machte dieses vorübergehende
Leiden wieder gut.
Der Türsteher kannte mich, und wir begrüÃten uns mit
einem kurzen Nicken, bevor ich ohne Schwierigkeiten reinkam â einer der wenigen
Vorteile als Singlefrau. Ich gab meinen Mantel an der Garderobe ab â keinen
Mann zu haben, der darauf aufpasst, ist wieder ein Minuspunkt für das
Singledasein â und ging direkt auf die Tanzfläche zu.
Es lief gerade »Forget this!« von Nyjara, ein
bassbeladener Techno-Remix, und ich spürte die Vibration der Bassklänge bis in
die Brust. Der Text des Liedes passte dazu, aber selbst ohne ihn hätte mir der
Bass allein schon gereicht. Wenn man dicht genug an den Boxen steht und es
richtig anstellt, ist tanzen so als wäre man high. Die Musik kann einen völlig
ausfüllen und alles verdrängen: das Wissen, dass man ein Versager ist, die
Erinnerungen an die vielen Male, bei denen man andere im Stich gelassen hat,
die langen Nächte und die überfällige Miete. Sie dringt in alle Ecken und lässt
keinen Platz für irgendetwas anderes. Ich blieb noch einen Moment lang ruhig am
Rand der Tanzfläche stehen, bis der Refrain kam, und lieà mich dann von der
Musik mitreiÃen.
Sieben Lieder später war ich völlig auÃer Atem. Meine
Haare klebten im Nacken und das bisschen Make-up, das ich aufgetragen hatte,
war wahrscheinlich längst verschmiert. Aber ich fühlte mich jetzt wesentlich
lebendiger als vor der Tanzsession â und ich wusste, dass dieses Gefühl puren
Lebens nicht lange vorhalten würde, wenn ich irgendwann nach Hause ging. Jetzt
und hier, mit jeder Drehung meiner Hüfte und jeder Kopfbewegung, die meine
Haare fliegen lieÃ, vertrieb ich meine Geister und beanspruchte meinen Körper
nur für mich. Voll verschwitztem Triumph ging ich zur Bar wie ein
preisgekröntes Rassepferd.
Das erste Wasser stürzte ich in einem Zug runter. Das
zweite nahm ich mit und setzte mich damit auf einen Barhocker in einer dunklen
Ecke, der gerade frei geworden war.
Die Leute zu beobachten machte SpaÃ. Nicht mit ihnen
reden zu müssen? Auch wundervoll. Als Krankenschwester musste man die ganze
Zeit reden. Hier drin war es zu laut, um eine anständige Unterhaltung zu führen
â ich war allein, aber nicht alleine. Genau so hatte ich es gern.
Dann schob sich ein Mann neben mich. Ich tat so, als
würde ich ihn nicht sehen, was durch die Dunkelheit begünstigt wurde. Er beugte
sich zu mir rüber.
»Du tanzt wirklich gut«, rief er, um die Musik zu
übertönen. Er hatte einen britischen Akzent, was in dieser Stadt ziemlich
ungewöhnlich war. Damit kam er wahrscheinlich bei den Frauen super an.
»Danke«, antwortete ich und musterte ihn aus dem
Augenwinkel. Er hatte dichte, dunkle Locken und fast schwarze Augen. Eigentlich
bevorzugte ich keinen bestimmten Typ, meine Parameter für einen One-Night-Stand
waren also ziemlich weit gesteckt. Und ich wusste, dass ich im Moment nicht
allein sein wollte. Was bedeutete, dass ich entweder noch mehr Zeit auf der
Tanzfläche verbringen konnte, oder noch mehr Zeit mit ihm ⦠»Und du?«, schrie
ich zurück. »Tanzt du?«
Er hielt mir lächelnd sein Glas entgegen, in dem fast
nur noch Eiswürfel schwammen. »Nur, wenn ich vorher noch ein paar von diesen
hier bekomme.«
»Oh.« Lächelnd zuckte ich mit den Schultern. Es
widersprach meinen Prinzipien, Typen Drinks auszugeben, denn Drinks kosteten
Geld, und ich brauchte mein gesamtes Geld, um meinen Esstisch aus den Klauen
des Pfandleihers zu befreien. Wasser gab es gratis. AuÃerdem, wenn ich mir
seine Klamotten ansah und den Schnitt seines Hemdes richtig einschätzte, konnte
ich es mir sowieso nicht leisten, ihm etwas zu spendieren, was er nicht schon
hatte.
»Was willst du trinken?«, fragte er und streckte die
Hand nach meinem Glas aus.
Ich wich ein wenig zurück. »Wasser.«
»Darf ich dir noch eins holen?«, fragte er weiter,
ohne die Hand zurückzuziehen.
»Nein.« Ich verpasste ihm einen sanften Klaps auf die
Hand.
Er riss überrascht die Augen auf, als ich ihn
berührte. Dann lachte er â entweder über mich oder über sich selbst, da war ich
mir nicht sicher. Er beugte sich näher zu mir, und als er sprach, kitzelte mich
sein Atem am Ohr. »Bist du nicht
Weitere Kostenlose Bücher