Nightshifted
will, dann schafft er
das auch. Sie haben dafür groÃes Talent.«
»Nicht, wenn er entführt wurde.« Als ich hochschaute,
bemerkte ich, dass er mich immer noch anstarrte. Seine goldenen Augen blickten
nachdenklich und hoben sich deutlich von seiner dunklen, vernarbten Haut ab.
Schnell senkte ich den Blick wieder, dachte mir dann aber: Was, wenn er jetzt meint, ich
würde ihn wegen der Narben nicht ansehen wollen? Während ich doch
wusste, dass es nicht so war? Er musterte mich immer noch durchdringend, und
obwohl ich wusste, dass meine Scheu nichts mit seinen Narben zu tun hatte,
sondern nur damit, dass es sich seltsam anfühlte, die ungeteilte Aufmerksamkeit
eines anderen so auf sich ruhen zu haben, fiel es mir schwer, den Blick nicht
wieder abzuwenden. Dann atmete ich tief durch und fuhr fort: »Ich muss sie
unbedingt finden.«
»Warum?«
Ich verzog das Gesicht. Weil ich so gut wie tot bin, wenn
nicht? Aber ich ignorierte seine Frage und versuchte es mit einem anderen Ansatz.
»Ist es besser, ein Zombie zu sein als tot?«
Ti dachte darüber nach und meinte dann: »Das
bezweifle ich.«
»Verstehe.« Ich erhob mich. »Du solltest nun packen
â¦Â«
Er beugte sich vor; ich ging davon aus, dass er
aufstehen und mich hinausbegleiten wollte. Doch stattdessen schien er eine
Entscheidung getroffen zu haben, denn er wirkte, als hätte er einen inneren
Schalter umgelegt. »Ich kenne da jemanden, der dir vielleicht dabei helfen
könnte, deine Freundin zu finden. Hast du irgendeinen Gegenstand, der nach ihr
riecht?«
Ich nickte. Bisher hatte ich noch keinen Gedanken
daran verschwendet, wie ich ihre Tränen aus meinem guten Mantel rausbekommen
sollte. AuÃerdem hatte ich ja auch noch Yuris Hemd, auf das sie geweint hatte.
»Wer ⦠und wie?«
»Vertrauensverhältnis zwischen Feuerwehrmann und
Freund«, erwiderte er grinsend. »Wie kann ich dich erreichen?«
»Warum willst du dich da mit reinziehen lassen?«
»So bin ich nun einmal. Bruce Banner, schon
vergessen?«
»Niemand tut Gutes, nur um Gutes zu tun. Ich glaube
nicht an den Weihnachtsmann, und du sicher auch nicht.« Ich verschränkte wartend
die Arme.
Ti grinste. »Vielleicht würde ich dich ja irgendwann
gerne mal ins Kino einladen. Das wäre wesentlich schwieriger zu
bewerkstelligen, wenn du tot bist. Nicht unmöglich, aber es würde
wahrscheinlich weniger Spaà machen.«
Fassungslos starrte ich ihn an. Mich hatte noch nie
ein nüchterner Patient gefragt, ob ich mit ihm ausgehen wollte. Und schon gar
nicht einer, von dem ich Namen und Krankengeschichte kannte. Okay, er war ein
völlig vernarbter Zombie ⦠aber wenigstens war er kein Arzt.
»Versprichst du, keine Blumen auf mein Auto zu
legen?«, fragte ich.
»Ich schwöre es«, versicherte er und bekreuzigte sich
ernsthaft, ohne nach dem Warum zu fragen. Er wirkte aufrichtig. Er schien es
ernst zu meinen. Und weil ich bei der Arbeit immer einen Stift in der
Brusttasche hatte, schrieb ich meine Telefonnummer auf einen Zettel und gab ihn
ihm.
»Also gut. Hilf mir, dann haben wir einen Deal.«
Â
Für den Rest der Nacht
ignorierte ich Tis Zimmer komplett â alles, was ich jetzt noch hätte sagen
können, wäre irgendwie ein Rückschritt gewesen. Aber Mr. Galeman sorgte dafür,
dass mir nicht langweilig wurde. Sein Hämatokritwert hatte sich zwar erholt,
aber seine Elektrolyten waren völlig am Boden, was daran liegen konnte, dass
Alkohol keine besonders nährstoffreiche Kost darstellt. Also führte ich ihm die
ganze Nacht lang immer wieder Kalium und Phosphate zu.
Als ich gerade dabei war, eine Spritze mit
Magnesiumlösung aufzuziehen, kam Gina vorbei und fragte neckend nach »Mr.
Smith«, aber ich ignorierte das einfach.
»Alles klar, Spence?«, fragte Meaty, als ich gegen
Ende der Nacht zum Stationszimmer zurückkam, um meine Aufzeichnungen zu
vervollständigen.
Ich hatte es wirklich satt, dass Meaty das ständig
fragte. Aber als ich mit finsterer Miene von meinen Papieren aufschaute,
erkannte ich, dass Meaty es wirklich ernst meinte. Unsere Stationsschwester war
nicht sonderlich mit sozialen Talenten gesegnet, und ein »Alles klar, Spence?«,
sollte eigentlich »Hi, wie geht es dir?« heiÃen oder auch »Wie war dein Tag?« â
und war nicht als Einmischung oder ständige Kontrolle gemeint. Zumindest nicht
jedes
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